Hier waltet ein wackerer Wirt, der gegen das Unbill eines Jahrhunderte alten Fluchs ankämpfen muss. Die einzige Insel im Lago Como wurde im 12. Jahrhundert mit einem Bann des Bischofs Vidulfo belegt:
“Es werden niemals mehr die Glocken läuten, niemand wird mehr einen Stein auf den anderen setzen, niemand wird hier mehr Wirt sein unter der Strafe eines qualvollen Todes”.
Möchte man da Wirt werden? In der Tat ist der Rest der Insel seit dem Fluch unbewohnt.
Glücklicherweise ist also nur der Wirt verflucht, nicht der Gast. Wir dürfen uns getrost auf die Insel trauen. George Clooney und Brad Pitt haben es auch schon gewagt, nach dem Dreh von Oceans 12, am Comer See. Und? Geht´s denen schlecht? Ich glaube: nein.
Es ist nun klug, sich die Telefonnummer zu notieren! Bei Anruf: Boot. Irgendwie muss man ja auf die Insel kommen.
Das Restaurant befindet sich auf dem süd-östlichen Zipfel der Insel. Ein traumhafter Blick öffnet sich von der Terrasse auf den See. Bei schönem Wetter sollte man unbedingt draußen Platz nehmen. Bei schlechterem Wetter wird im Innenraum der Kamin angeheizt.
Der Bestellvorgang ist sehr zügig erledigt. Weißwein oder Rotwein, dass ist hier die Frage.
Das Menü, welches hier serviert wird, ist seit 1947 das gleiche. Es gibt nur das eine.
Gemischte Vorspeisen mit acht Gemüsen und ein grandioser Schinken, vom Wirt abgesäbelt; Forelle vom Grill mit Zitrone; Hähnchen in Öl gebacken; aus einem gewaltigen Stück Parmesan werden Stücke heraus gebrochen; dann Vanilleis mit Likör und Frucht (in diesem Fall Orange, hier kann es saisonale Abweichungen geben!).
Der Brandy wird abschließend mit der rituellen Zeremonie zur Bekämpfung des Fluchs dargeboten. Eifrige Helfer bauen eine Tonanlage auf, danach wird die Glocke geläutet und das mittlerweile durchaus gesättigte Publikum lauscht und beiwohnt andächtig, nämlich dem Gastgeber, Benvenuto Puricelli, der sich mittlerweile eine gestrickte bunte Zipfelmütze aufstülpte und ans Mikrophon tritt.
In einer Pfanne wird der Brandy angezündet, dabei erzählt er die Geschichte der Insel. Wie ein Mantra wird der Anti-Fluch beschworen. Dazu hatte die englische Schriftstellerin Francis Dale dem alten Wirt 1949 geraten, seither besteht die Tradition.
Dem Brandy werden Kaffee und Zucker beigemengt und dann den Gästen serviert.
Der Aufenthalt auf der Isola ist etwas bezauberndes. Ein Ereignis. Darüber hinaus ist es köstlich. Die frische der Zutaten, die Routine der perfekten Bereitung, der Service, das Ambiente. Der Smalltalk mit einem gebildeten, eloquenten Gastronomen, der mir das Gefühl gibt, dass er auch George Clooney nicht anders behandelt hat…..ja, ähem, bisschen vielleicht…
60 Euro plus Bootstransfer. Wagen Sie es, trotzen Sie der Verdammnis von Bischof Vidulfo.
Den Wirt jedenfalls, werden Sie garantiert nicht verfluchen wollen.
Isola Comacina, 22010 Ossuccio, Italia
OK, sagen wird stattdessen „für nicht ganz so Arme“ 😉
So reich muss man dazu gar nicht sein. Ein wenig Mühe gilt es aufzuwenden und dann nimmt man teil an einem kleinen kulinarischen Märchen.
Schöne Sache, gefällt mir, ist so was wie Lindwerder für Reiche.