Besondere Anlässe erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Stürmen wir also die heiligen Hallen, auf zum Herd, hinein in die Arbeitsstätte von Meisterkoch Hendrik Otto.
Die Küche im Restaurant Vitrum im Ritz-Carlton Hotel darf „gestürmt“ werden. Den Gästen wird hier ein ganz besonderes Kocherlebnis zuteil, denn es wird bestuhlt, gleich zwischen Soßenposten und Patisserie, um dem Bereiten der Speisen beizuwohnen und auch gleich zu verzehren. In Chicago, bei Charlie Trotter, durfte ich schon einmal ein solches Küchenerlebnis bestaunen und gierte seither nach einer Wiederholung.
Ein 6-Gänge-Menü mit Weinbegleitung steht auf dem Programm, bzw. auf der Kochmütze. Eine sehr hübsche Idee: Auf einer Kochmütze ist die Speiseabfolge aufgeführt, genau wie die Weinfolge und alle personell Mitwirkenden haben unterschrieben.
Lese ich heute das Menü durch, so klingt das meiste eher schlicht, ganz ohne Tamtam: Hummer Favorit, Steinbutt mit Austerngel, Rotbarbe mit Calamaretti, Eintopf von Blumenkohl, Rehbockrücken, Passionsfrucht. Hole ich mir aber die Erinnerungsbilder an die wundervollen Geschmacks-Kombinationen, die kunstvollen Tellergestaltungen und die vielen Küchengrüsse vor Augen, dann wird das Understatement der Aufzählung deutlich.
Hendrik Otto, der Küchenchef und Nachfolger von Thomas Kellermann, ist ein freundlicher und fröhlicher Mensch und außerdem ein sympathischer Gastgeber. Schnell verfliegt die erste Zurückhaltung, die man als Gast mitbringt, beim Eindringen an den Arbeitsplatz eines anderen. Herr Otto und die weiteren Mitglieder der Crew nehmen sich Zeit und beantworten viele unserer Fragen, zeigen uns die Küchenbereiche und erklären die Arbeitsweisen.
Der Traum eines jeden Weinkenners strahlt einem in Person von Rakhshan Zhouleh entgegen, dem Meister der Weine, der sich unglaublicher Weise an uns erinnerte, noch aus seinen lange vergangenen Zeiten im Margaux. Rakhshan Zhouleh ist faszinierend. Er lebt und liebt Wein und vermag das glänzend zu vermitteln. „Ich habe da noch etwas mitgebracht…!“ Mit spitzbübischem Lächeln überrascht er die Weinfreunde, läßt sie raten, um was es sich wohl handeln mag, ohne dabei die Wünsche und Vorlieben seiner Gäste ausser acht zu lassen. Er ist der beste Sommelier, den ich je erlebt habe und bedauere zutiefst, dass er kürzlich Berlin verlassen hat und nunmehr die Gäste des Tantris in München umsorgt. Gerade neulich ließ mich ein Besuch im Autostadt-Restaurant Aqua im Ritz-Carlton in der neuen Fußballhauptstadt Wolfsburg deutlich erkennen, wie ein Sommelier nicht sein sollte. Der dortige Herr Giebel verstand sich eher in der Rolle des bevormundenden Weinbringers. Im Vergleich zu Herrn Zhouleh kommt mir da der Begriff „Sommelier“ gar nicht über die Lippen. Ein Vergleich wie Polo und Phaeton. Umso unglücklicher dieser Verlust.
Als wären diese Meldungen nicht schon mies genug, wird das Vitrum Ende Juni wohl ganz die Pforten schließen. Der stets bestens informierte Niko Rechenberg vermeldet dies in seinen „Weinwelten“.
Vom Margaux hört man in diesen Tagen auch nur wenig erbauliche Meldungen, was die Zukunft anbelangt.
Unvergesslich bleibt jedenfalls mir dieser wunderbare Abend in liebster Gesellschaft in einem sehr feinen Restaurant.
Potsdamer Platz 3, 10785 Berlin. 235.- Euro pro Person inklusive aller Getränke
[…] ein Niveau, was Seinesgleichen sucht (auch wenn ich bis heute die Schließung des Restaurants „Vitrum“ nicht begreife und auch wenn ich der Wolfsburger Dependance noch immer im Geiste die Zunge […]