Ich bin ganz sicher: Endlich wird diese seltsame Ecke der Stadt auf einen weingrünen (Reben-)Zweig kommen.
Zuvor hatte sich hier glücklos das Restaurant „Gertraude“ versucht, wohl in der irrigen Annahme, Unmengen von Hochzeitsgesellschaften zu bewirten. Im wunderschönen historischen Gebäude zwischen Spittelmarkt und Petriplatz wurden früher Diamanten gehandelt. Heute nennt es sich „Hochzeitshaus“, in dem alle möglichen Dienstleistungen und Produkte rund um das Heiraten angeboten werden. In die nette Rotisserie Weingrün dürfen auch Unverheiratete zu einem Schluck Wein und einem schönen Mahl einkehren.
Aus den Fenstern blickt man auf die alte Gertraudenbrücke, welche den Seitenarm der Spree überspannt, auf der eine Skulptur an die heilige Gertraude erinnert. Eine Multifunktions-Heilige, zu deren Zuständigkeitsbereich neben Pflanzenanbau und Rattenplagen auch die Getränkeausgabe an Reisende zählt. Letzteres übernimmt statt ihrer nun Herbert Beltle, der in Berlin bereits das Aigner am Gendarmenmarkt und das Alte Zollhaus in Kreuzberg bewirtschaftet. Beide Restaurants besuche ich sehr gerne, daher erwartete ich auch an der neuen kulinarischen Stätte keine Enttäuschung.
Und so war es dann auch tatsächlich. Ein warmer, gemütlicher Raum empfängt den durstigen Reisenden. Holzgescheuerte Tische, die mit reichlich Weingläsern eingedeckt sind, ein freundliches „Willkommen“ des motivierten Personals und ein offener Hähnchengrill, an dem selbige appetitlich rotieren, sorgen für spontanes Wohlgefühl. In der Mitte steht ein Anrichte-Block mit Weinen, Gläsern, Ölen, Brot, Weinkühlern und der Schinkenschneidemaschine und verheißt allerlei appetitliches.
Im Prinzip einfache Gerichte aus hochwertigen Zutaten werden als Begleiter zu den feinen Weinen angeboten. Die Platte mit Bergschinken (welche ich auch im Aigner jedesmal zwingend konsumieren muß), kostet 10.- Euro, die Entenstopfleber kostete 14.- Der Hauptgang hatte mich ja bereits beim Eintreten angelacht. Die goldigen Hühnchen (oder muss ich Broiler sagen, wir sind schließlich in Mitte!?) schauten einfach zu verlockend, und somit knusprig-zart, aus. Ein halbes schlägt mit 13.- zu Buche, Beilagen können je nach Bedarf individuell dazu ausgesucht werden, kosten aber extra. Ein Salat zu 4.- und Bratkartoffeln zu 3.- machen das Hend´l dann doch recht preisintensiv.
Vorzüglich die Weinberatung und die Weine selbst. Souverän und um die geschmacklichen Wünsche der Weinfreunde aufrichtig bemüht, fiel die Beratung aus und garantierte Genuss. So mit einer Flasche Riesling von Heymann-Röttgen zu 35.- Euro oder dem formidablen Haus-Sekt zu 5.- je Glas.
Richtig billig kommt man jedoch nicht weg, dafür hat Herr Beltle einen wundervollen Wohlfühl-Ort für Weingenießer geschaffen, den ich jederzeit gerne wieder besuchen werde. Wie exklamiert Chris Tucker als „Ruby Rhod“ in dem Film „Das 5. Element“, wenn er etwas besonders wunderbar findet? „Es ist sooo Grün!“ Weingrün ist noch besser.
Gertraudenstraße 10-12 (im Hochzeitshaus), 10178 Berlin-Mitte