The Violet Hour (Chicago)

Cocktails heute einmal nicht zur Blauen Stunde, nein, violett soll sie sein. Diese Bar ist eine der schönsten und stimmungsvollsten Orte für Mixkultur, die ich jemals besuchen durfte.

Die Bar zu finden ist gar nicht so einfach. Besser notiere man sich die Anschrift. Ganz versteckt und unkenntlich, ist sie nur durch eine unauffällige gelbe Glühbirne außen zu identifizieren. Zufällig ist sie nicht zu entdecken.

Was äußerlich wie eine fensterlose Lagerhalle wirkt, bezaubert sofort nach dem betreten. Mächtige Kristalleuchter hängen von der Decke, zwischen den Räumen sind schwere violette Vorhänge vor blauen Wänden. Die Sessel sind interessant: sie haben sehr hohe Rückenlehnen. Sitzt man um einen Tisch auf diesen Sesseln bilden die Lehnen einen abgetrennten, eigenen Raum im Raum, der sich dadurch Weiterlesen

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Fleischerei Bachhuber (Wilmersdorf)

Wir sind unwürdig, wir sind unwürdig.

„Wie, se wollen für Weihnachten etwas vorbestellen? Da hättn se ma vor fünf Wochen kommen müssen. Wir schreiben nix mehr auf. Müssen se halt nächste Woche nochma vorbeischaunkommn, aber geben wirds da wohl ooch nüscht mehr.“

„Wie, Fleisch kleinschneiden? Hamwa keene Zeit füa.“
Wir können uns doch nich um allet kümmarn, wo kämwa denn dahin, wenn jeder Kunde, nee Störenfried, mit irgendsonem Kram kommt?

Einsichtig verlasse ich das Geschäft und hinterlasse drei bestürzte Fleischhandelfachkräfte, deren Fassungslosigkeit, ob meines Ansinnens, mir nahe geht.

Sind das nicht famose Nachrichten im gebeutelten Berlin? Es lebe der Einzelhandel. Solange er noch kann. Nicht allen Händlern geht es in diesen Zeiten schlecht. Manchen geht es noch gut. Manchen geht es zu gut.

Güntzelstraße 47, Berlin-Wilmersdorf

Rum Trader (Wilmersdorf)

Ich übertreibe maßlos, wenn ich diese Bar eine Legende nenne.

Ein seltsam Retro-60ies anmutendes Einkehrobjekt im Eckgebäude an der Fasanenstraße, an dem eine Rumrelevante Fahne weht, die signalisiert, dass geöffnet ist. Klein ist es hier. Platz für sieben Menschen am Tresen (plus erhöhte Bank für zwei Wichtige Personen, falls sie kommen). Ein Tisch in einer ghettoisierten niedrigen-erniedrigenden Nische mit Sitzgelegenheit für 4-7, Garderobe, diverse Quadratzentimeter weiterer Stehraum für Nachrücker.
rum trader
Wer wagt – klingelt.
„Ah, schön Sie zu sehen. Hatten Sie heute wieder im Kohlenkeller zu tun?“ So lautet eine freundliche Begrüßung eines willkommenen Gastes, der nur mittelmäßig gewandet zu erscheinen wagt. Darauf erstmal einen Drink. Ich empfehle: Rum Sour oder Mai Tai (Stufe zwei, danach drei – es gibt mehr) zur Orientierung, Akklimatisierung.
Auf unterhaltsame Weise liefert man sich hier dem Connaisseur am Shaker, Herrn Scholl, aus.
Der Mann lebt seine Bar, er ist diese Bar. Er ist kultiviert, irgendwie brillant; mixologisch einwandfrei sortiert; er verfügt über eine Barbibliothek welche jeden historischen Drink bestellbar macht, er gewinnt jeden dichterischen Rezitierwettbewerb. Er ist Twenties. Er ist ein Snob. Er ist ein ganz besonderer Gastgeber.

Er ist Zigarrenraucher. Herr Scholl hat in Karlsruhe geklagt und allen Berliner Tabakgenießern einen Gefallen getan.

Herr Scholl trat würdig die Nachfolge des legendären Herrn Schröder an. Hans Schröder hat noch im alten Adlon gelernt. Er war ein Lieblingsbarkeeper von Ian Fleming, den er in Berlin und auch in San Francisco bei dem legendären „Trader Vic“ Bergeron bemixt hat. Man sprach viel über Martini, Vesper Martini, geschüttelt, gerührt. Ian Fleming widmete Herrn Schröder im Angedenken an seine feinen Getränke eine Passage in dem Buch „Thrilling Cities“. Später wurde daraus „Octopussy“.
Irgend so eine Agentenserie, sagt man.

Ich nehme noch einen Sanctuary, oder einen Creole Swivvel. Herr Scholl erzählt mir die Geschichte dazu (wenn er nicht gerade etwas an meiner Garderobe zu bemängeln hat). Die letzte Bestellung macht er selbst: er bestellt ein Taxi für den Gast, der am nächsten Morgen die Frage stellt: ist mir das wirklich passiert? Es ist. Oder?

Glauben Sie mir nichts, denn alles ist nur ein Gerücht. Dennoch: die Legende, sie lebt, mixt, genießt, erzählt.
Und eigentlich habe ich gar nicht so sehr übertrieben…

Fasanenstraße 40, 10719 Berlin-Wilmersdorf

Macy´s (Chicago)

Es lebe Chicago. Stadt des zweiten Platzes!
„The second city“ wird sie oft genannt, die Stadt die stets im Schatten von New York bleiben wird.
Dennoch kann die „zwei“ ganz schön beeindrucken. Es geht schon los, wenn der Flieger auf dem zweitgrößten Flughafen der Welt landet. Viele Tagungen und Kongresse finden im flächenmäßig zweitgrößten Gebäude der USA, dem Merchendise Mart, statt. (Die größte Kläranlage der Welt klammere ich an dieser Stelle als Nummer eins aus, bzw. ein.)

Wir aber wollen in das zweitgrößte Kaufhaus der Welt!
Als ich shoppingvergnügt hineinspazierte, wusste ich noch nichts von der Dimension dieses Hauses. Hatte gedacht: Kennt man ein Macy´s, kennt man alle. Falsch, Irrtum, setzen – sechs.

Am besten besorgt man sich gleich beim Eintritt in das wunderschöne historische Gebäude Weiterlesen

Bronx Zoo (New York)

Mein Verhältnis zu Tieren ist widersprüchlich, schließlich bin ich kein Vegetarier. Ich gehe aber gerne in den Zoo, da ich neben Eichhörnchen eine Schwäche für Pinguine habe.
Mit den Pinguinen war in der Bronx nix los, ansonsten war es lustig.
Wenn da nicht die Schulkinder gewesen wären, von denen ich mir einige auf die andere Seite des Alligatorsichtfensters gewünscht hätte. Schwamm drüber – ein ruhiger Tag in der Bronx (wieder ein Widerspruch?).

Eich im Bronx Zoo

Der Zoo ist der größte Tiergarten der Welt mit über 100 Hektar und um die 4.300 Tierarten. Weiteres wäre in jedem beliebigen Reiseführer nachzulesen, daher hier nur meine zweieinhalb Highlights:

Besonders sollte eine Fahrt mit dem Monorail unternommen werden. Eine schöne und abwechslungsreiche Fahrt mit fröhlicher Kommentierung. Ich hätte auf noch drei Runden sitzen bleiben können.

Besonders stolz ist der Zoo auf seine Tiger, entsprechend inszeniert sind sie und auch sehenswert in ihrem großzügigen Auslaufbereich.

Besonders ironisch ist die kleine Raucherzone, die sich selbstverständlich und sinnigerweise am Camel-Gehege befindet.

Have a Camel

Zoo was…

Wirtshaus Wuppke (Charlottenburg)

Gibt es eigentlich Untersuchungen zu Hunden und Passivrauchen? Wenn nein, wäre hier der ideale Ort für eine Studie.

Treue Trinker von Kindl, Köpi und Altbier versammeln sich hier mit ihren zwei- und vierbeinigen Gefährten zu Kartenspiel, Bundesliga und nachbarschaftlichem Palaver. Und zum rauchen. Vielfach hört man husten, bellen, krächzen und kläffen. Die Herkunft der Geräusche ist zumeist nicht eindeutig zuzuordnen.

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Etliche der ehemals hartgesottenen Bastionen von Bierdunst und Rauchschwaden rings um den Savignyplatz haben die Segel gestrichen und die Aschenbecher verschenkt. Wohl an Wuppke, die brauchen nämlich jede Menge davon.
Hier ist sie nämlich, die Zuflucht der Tabakjünger, das Walhalla der Kettenraucher, die Rettung der Streichholzindustrie.

Unter dem Dunst liegt die Erkenntnis, dass es gleichsam Weiterlesen

Westend-Klause (Charlottenburg)

Ich mag Ringelnatz. Er kannte das Leben, die Welt, Berlin. Er war ein solider Trinker. Er trank oft hier, wohnte ja gleich ums Eck am Sachsenplatz, heute Brixplatz. Diese Klause war sein Stammlokal. An seinem Lieblingsplatz hängt ein Gemälde, das ihn zeigt.

Morgens um neune war es oft soweit, dass er hereinspazierte mit seinem Hund „Frau Lehmann“ und erstmal einen Aquavit orderte.
„…Wie? Ich sei angetrunken? O nein, nein! Nein!
Ich bin völlig besoffen und hundsgefährlich geistesgestört….“

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Ich mag Engelhardt, das Charlottenburger Pilsener.
Heute ist die verwinkelte Kneipe mit glänzender Zapfanlage noch immer Treffpunkt, auch schon ab morgens um neune. Die Westend Nachbarschaft diskutiert, das Bier wird sorgfältig gezapft und extrem freundlich kredenzt, die Bilder an den Wänden studiert. Viele Gäste sind da dokumentiert. Zelli, der Zeichner; Schmeling, der Boxer; Tilla Durieux die Legendäre. Die Prominenz von heute Weiterlesen

Peking Ente (Mitte)

Frühlingsrolle statt Führerbunker. Die Vorstellung ist schon merkwürdig, dass genau da, wo heute die fröhliche Peking Ente mit China-Küche lockt, vor 1945 Hitlers Neue Reichskanzlei stand und ewiglange Gänge in rotem Marmor jeden Besucher einschüchtern sollten. Der rote Marmor ist übrigens noch im nahen U-Bahnhof Mohrenstraße zu sehen.

Rot ist auch die dominierende Farbe des Restaurants im Plattenbau an der Ecke zur Voßstraße.
Gelbliches, gedämpftes Licht macht das lesen mühsam. Die letzte Renovierung bringt eine komische Mischung aus alt und neu hervor.
Die Sitzgruppen im Bauernstuben-Design sind mit chinesisch gemusterten Stoffen überzogen, die Lampen und Bilder sind auf unspektakuläre Weise modern. Schön ist das Geschirr, weil es recht schick von der gewohnten Schüssel-Stäbchen-Teebecher Ästhetik abweicht.

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Spezialität des Hauses ist natürlich die Peking Ente, die es Weiterlesen