Eine Zwiwwel sorgt für Tränen – selbst bei den Kochprofis

Dieser Bericht würde ach so gerne eine warmherzige Empfehlung sein. Stattdessen ist es ein trauriger Nachruf zu einem Restaurant in Berlin-Wilmersdorf, das nicht einmal die Kochprofis von RTL 2 zu retten vermochten.

Restaurant Zwiwwel

Das Restaurant Zwiwwel war all die Jahre eine versteckte Perle in der Bruchsaler Straße, nicht weit vom Bundesplatz. Uralt, mit Mobiliar, welches zur Kaiserzeit genau so eine Gaststube hätte ausstatten können, war die Zwiwwel stets eine kleine Zeitreise mit ordentlicher Speisenbegleitung. Es muss so zehn Jahre her sein, da lohnte sich der Weg durch die halbe Stadt alleine der genialen Seaks wegen. Das war noch die Zeit vor der großen Fleisch-Welle. Damals waren herrliche Cuts, wie T-Bone, Ribeye oder Porterhouse höchstens regelmäßigen USA-Reisenden ein Begriff. In der Zwiwwel beherrschte der Koch den Grill und die Entrecôtes waren genial. Ich erinnere mich noch an den damaligen Betreiber mit einer knarzigen Reibeisenstimme und der Berliner Mischung aus Herz und Schnauze.

Nippes & NostalgiaDann war es eine Weile arg ruhig um das Lokal. Zwischendrin hiess es irgendwann „Reuters“ und bleib weitgehend unspektakulär. Ein nachfolgender Betreiber wählte dann wieder den alten Namen. Ich war vor ca. fünf Jahren auch noch einmal da, um des alten Namens und der Erinnerungen Willen, erinnere mich aber nicht an weitere Details des Besuchs. War wohl ´ok´, vielleicht auch nur ´na ja´, oder war es doch nur ´so la la´? Ich war jedenfalls danach nicht mehr dort und der Schleier der Vergessenheit legte sich über die Zwiebel von Wilmersdorf. Denn Berlin hat Tempo und die kulinarischen Reize kommen Schlag auf Schlag, um dann zuweilen rasch wieder in Vergessenheit zu geraten. Eröffnungen mit großem Tatmtam und Gratis-Häppchen gibt es viele. Der wichtigste Besuch eines Gastes ist aber nicht unbedingt der erste, es ist der zweite! Nur der Gastronom, der Gäste zum Wiederkommen bewegt, gewinnt. Überlebt.

Oft reicht es aber auch, die Nachbarn im Kiez zu begeistern. Die Zwivvel hat das wohl nicht mehr so geschafft, dass die Zahlen stimmen. Dann sendet man das Speisen-SOS und ruft eben auch mal die Restaurant-Retter, die Herd-Helden, den Beilagen-Batman oder die Glorreichen Gewürz-Granaten. In diesem Fall waren es die Kochprofis. Frank Oehler, Ole Plogstedt und Andi Schweiger.

Seit Christian Rach schaue ich einige dieser Sendeformate ganz gerne an. Wenn man manchen Soap-Charakter-Moment ignoriert, ist es doch eine solide Fortbildung über manches Innenleben des Gastro-Geschäfts. Und einige der Rezepte habe ich auch schon freudvoll nachgekocht. Nun gab es die Möglichkeit, einmal an einem der Finalabende teilzunehmen, die Produktionsfirma der Sendung lud einige Speisen-Schreiber ein. Anders, als in anderen Orten, wo die Kochprofis ihre Missionen erfüllen, war es wohl in Berlin nicht ganz leicht, Medien und selbst Gäste für die Rettungsaktion zu gewinnen. Die Kochprofis sprachen es offen an und skizzierten das reizüberflutete Gastro-Berlin sehr treffend. Ole Plogstedt brachte es kopfschüttelnd auf den Punkt: „Berlin ist so übersättigt. Hier ist es komlett egal, ob die Kochprofis da sind, oder nicht.“ Und Frank Oehler schilderte die Problematik, Resonanz in den Medien zu erzeugen. Und selbst den Gastraum zu füllen, war eine Herausforderung.

Wer da war, hat es jedenfalls nicht bereut. Das Essen war traumhaft, der Service großartig und die Wirtsleute sehr sympathisch. Die Kochprofis kreierten ein Menü unter dem Motto: Regional mit Pfiff. Das klingt nun nicht so originell, schliesslich ist Regionalität derzeit in der Stadt sehr weit verbreitet und teilweise fast zum Dogma erklärt. (Im Winter hatte ich das Gefühl, jedes zweite Restaurant hat ein Gericht mit Schmorfleisch und Rote Bete auf der Karte. Wenn das der Inbegriff von Regionalität sein soll, dann renne ich ganz rasch wieder zum Chinesen – oder zu Tim Raue.)

Hier war das Menü großartig. Handwerklich tadellos und nicht übertrieben über-kreativ. Es gab nicht den Anspruch, köstlich zu sein – lecker mit Augenzwinkern und dezentem Twist reicht völlig. Genial der Zander mit Dillsauce und Krabben oder die Schusterjungen-Knödel, die zur Entenbrust auf Spitzkraut serviert wurden. Auch ein Zweierlei der Königsberger Klopse darf meinethalben gerne Nachahmer finden.

Fast ein wenig überraschend, war die Veranstaltung doch ein fast normaler Restaurantabend. Sehr diskret war die Präsenz der Kameras und der Beleuchtung. Dass die Fragestellungen an das Publikum ein wenig uninspiriert und knapp daherkamen, lag womöglich an der Tatsache, dass das Dreh-Team, genau wie die Medienvertreter, bereits seit dem Mittag wussten, dass eine Rettung nicht möglich ist, dass der Abend das Ende der Zwiwwel-Ära besiegeln würde. Eine wehmütige Aura lag in der Luft und die Verkündung durch die Kochprofis war eben nicht so heiter, wie in vielen der Folgen. Der Klops, der eben noch so mundete, steckte jetzt quasi im Hals und einige im Saal mussten traurig schlucken, als das Gastwirts-Paar mit tapferem Auftritt den Trost der Kochprofis entgegennahm.

Woran lag´s? Wohl nicht an den Wirtsleuten, dem Service und dem Kochtalent am Herd. Garantiert nicht an den Ideen und Konzepten der Kochprofis. Man hat es uns nicht verraten. Ist es die Höhe der Miete? Ärger im Haus? Oder kann nicht kostendeckend gearbeitet werden? Es ist schade, denn nach der Schließung verliert Berlin eine Traditionsgaststätte mit einem unwiederbringlichen Charme. Zur Strafe gibt es bald an jeder zweiten Ecke von Neukölln Schmorfleisch und Rote Bete. Selber Schuld, Berlin.

Ob und wann diese Folge im TV ausgestrahlt wird, konnte man uns an dem Abend nicht verraten. Hier noch die Links zu den Kochprofis und noch ist auch die Website der Zwiwwel Online.

4 Kommentare zu “Eine Zwiwwel sorgt für Tränen – selbst bei den Kochprofis

  1. eichiberlin sagt:

    Vielen Dank für die spannenden Details zur Zwivvel!

  2. Petra Starjakob sagt:

    Leider habe ich Ihren Kommentar zur Zwiwwel Weinstuben erst jetzt gelesen.

  3. Petra Starjakob sagt:

    Hallo, es ist schön einen Nachruf auf Die Zwiwwel Weinstube zu lesen. Es hätte meinen Mann Hermann Hackstein sehr gefreut. Er hat 31 Jahre die Zwiwwel betrieben. Es war seine Perle, sein Lebenswerk. Die Gäste wurden zu Freunden, die Atmosphäre wurde geprägt durch den Charm meines Mannes. Auch ich habe dort im Service geholfen, gerne, denn es war zu der Zeit ein schönes Betriebsklima. Nicht nur gutes Essen zählt, sondern die Gäste muessen sich wohl fuehlen. Die Weinstube wurde zu einem insider Tipp. Frau Suessmuth, Hildegardg Knef, Klaus Maria Brandauer drehte dort in Filmszene, sie waren Gäste und viele mehr.Teilweise wurde die Bruchsaler Strasse abgesperrt, wegen eines wichtigen Gastes. Jeder Gast wurde gleich behandelt, mit können und Charme. Falls Intresse daran besteht, warum es die Zwiwwel Weinstuben nicht mehr
    gibt, bin ich immer bereit fuer detalierte Auskuenfte. Ich bin dabei das Leben des Inhabers Hermann Hacksteins, es gab noch einen Miteigentuemer der frueh verstarb, in einem Buch
    zu verfassen.
    Es beschreibt dass Leben eines Mannes der als 18 Jähriger Mann von einer Kleinstadt in NRW nach Berlin zog, ohne einen Pfenning in der Tasche. Es war fuer ihn ein harter weg, aber mit 25 Jahren war er Miteigentuemer der Zwiwwel Weinstuben die er von Katja von Bories uebernahm.
    Herr Herrmann Hackstein ist es Wert das sein Leben schriftlich festgehalten wird.
    Hermann ist am 05. Januar 2013 plötslich verstorben. Es war der schlimmste Tag in meinem Leben. Damals habe ich mir selbst versprochen ihn zu Ehren mit diesem Buch. Denn er ist es Wert. Es steckt eine Liebesgeschichte darin die nicht gerade auf uebliche Weise entstand..<hermann war der Schwager meiner Schwester. Ja es duerfte Interessant sein, dieses Buch zu lesen.
    Zuletzt lebte Hermann mit mir in Scheden, dort wohne ich auch heute noch.

  4. eichiberlin sagt:

    Aha, die Folge wird am kommenden Donnerstag, 21.5. ausgestrahlt: http://www.fernsehserien.de/die-kochprofis/folgen/zwiwwel-in-berlin-716076

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