Das hätte Grace Kelly nicht verdient – Die Grace Bar im Hotel Zoo

Anmut, Grazie, Liebreiz. „Grace“ hat so viele schöne Übersetzungsmöglichkeiten. Sie alle flüstern dem Barfly ins Ohr: „Hier bist du genau richtig!“ Großes Brimborium bei der Eröffnung. Hübsche Hostessen, strahlende Starlets, wundersame Wichtigtuer in rauen Mengen. Die gewaltige Veranstaltung mit 1000 Gästen setzte einen lauten Paukenschlag für die City-West. Sehr schön. Glanz, Glamour, und was man so dafür halten mag funkelte um die Wette und schlürfte Schampus. Ein Becker-Sohn, eine Westernhagen-Tochter und ein fantastischer Vier waren ebenfalls zugegen. Getrommel, Schlagzeilen, Karacho. Grace Bar Im Hause finden sich ebenfalls Restaurant und Bar mit ebenjenem Namen „Grace“, womöglich in Erinnerung an prominente Gästemomente zu besten Zeiten des alten „Hotel am Zoo“, als Grace Kelly und Sophia Loren hier verkehrten. Wie bewährt sich die Bar im Alltagsbetrieb? Kann es ein getränketechnischer Hotelbar-Hot-Spot auch für Berliner sein, wie es der Curtain-Club, die Monkey Bar oder die Bar am Steinplatz schafften?

Das Design ist schon einmal bemerkenswert. Geschickt werden die gewaltigen Raumhöhen inszeniert. Fensteroptik, nackter Backstein, Tiermotive, hängende Regale und opulente Vorhänge in leuchtendem Rot bieten dem Auge allerlei Abwechslung. Vielfältig zusammengewürfelt zwischen Eleganz, Opulenz und Blendwerk. Ein beeindruckendes Werk der Designerin Dayna Lee. Der normale Bargast wird das Foyer aber womöglich gar nicht zu Gesicht bekommen. Zuweilen scheucht das Personal die Durstigen wieder hinaus und um den Block zum Hintereingang im Kranzler Eck. Es regnet! Egal, außen herumgehen lautet die Devise. Manchmal, nicht immer. Was denn nun. Entscheidet euch, mal ihr Zoologen und Gracianer.

Auch das Bar-Design ist abwechslungsreich und unterhaltsam. Die nackten Backsteinwände passen zu dem modernen Vintage-Look und nehmen dem lila-grün das Glatte, ein wenig Kerzenschein. Über der Bar schweben überdimensionierte goldenen Kordeln und sorgen für einen Hingucker. Ein origineller Raum, kann man sich einmal anschauen.

Der Übergang vom Schein zum Sein ist allerdings ein harter Bruch. Noch nie habe ich in einem Haus, das einen solchen Anspruch ausstrahlt, eine dermaßen abgegriffene, zerknickte und klebrige Karte in die Hand bekommen. Der Aufdruck „Grace“ spottet in diesem Moment jeder Beschreibung. Passend darauf abgestimmt waren die Chips, die gereicht wurden: feucht und labberig.

Der Martinez war vom Antica Formula Wermut dominiert und eine intensive Süße liess den Gin untergehen. Das Beschwerdemanagement war immerhin vorhanden und reagierte zunächst ratlos, dann doch kulant. Einigermaßen ordentlich, wenngleich nicht mit einer idealen Süße-Säure-Balance, war der French 75. Beim ersten Besuch kostete er 14 Euro, bei einem späteren Besuch (immerhin mit überarbeiteter Karte) schlug der Champagnerdrink mit Gin und Zitrus dann mit 16 Euro zu Buche. Ein kostenloser Wasserservice, wie er im anspruchsvollen Barbetrieb heutzutage eigentlich üblich ist, scheint nicht vorgesehen. Die 0,25 l Flasche Mineralwasser lag so bei 4 oder 5 Euro, ebenso wie 0,2 l Limonade (Fritz). Kein Schnäppchen für Durstige.

Da kauert man nun mit seinem mittelmäßigen Drink auf den sonderbaren und sehr niedrigen Sitzmöbeln, blickt auf ein buntes, teilweise lautes Volk das nicht sehen, aber gesehen werden möchte. Die Bar ist ein gelungener Rahmen für Ego-Inszenierungen. Mehr Strass als Diamant, mehr Ed Hardy als Tom Ford. Wenn man hier einmal zwischen Dieter Bohlen und einem russischen Oligarchen sitzt, wäre eine solche Konstellation nicht verwunderlich. Der Service strahlte einen Hauch von angemessener Selbstgefälligkeit aus, um Bestellungen und Abläufe dann mit auffälliger Langsamkeit zu zelebrieren. Man geht nicht, man tänzelt.

Bruce Willis schien dieser Tage ja sehr zufrieden mit dem Service im Restaurant gewesen zu sein. Die Bild berichtet von einem Trinkgeld von 800 Euro. So ein goldener Moment sei jedem engagierten Service von Herzen gegönnt. Meine Vermutung: Es war die Anzahlung für ein Fluchtfahrzeug.

Grace Bar im Hotel Zoo. Kurfürstendamm 25

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3 Kommentare zu “Das hätte Grace Kelly nicht verdient – Die Grace Bar im Hotel Zoo

  1. Luna sagt:

    Genau so habe ich das auch empfunden. Ich habe mich nur nicht getraut es auszusprechen, da alle so begeistert schienen. Danke für diesen wunderbaren Verriss.

  2. richensa sagt:

    Oh-ha! 🙂

  3. oachkatz sagt:

    So ein gediegener Verriss hat schon auch mal was 😉

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