Serge Gainsbourg hat einmal einen Song mit Namen „Lunatic Asylum“ geschrieben. Sicher trifft diese Bezeichnung auf die eine oder andere Bar zu. Für die die Bar Gainsbourg heißt es jetzt leider vielmehr: „Hou hou hou cha cha cha du loup“ – Der böse Wolf tanzt den ChaChaCha. Dieses Jahr tanzt der Wolf eher einen Flamenco, denn das benachbarte iberische Restaurant wird die Räumlichkeiten der Bar übernehmen, die eigentlich vom Savignyplatz kaum wegzudenken ist, wo sie seit der Mitte der 1990er Jahre eine bewährte Anlaufstelle für Freunde einer wahren „Bar Américain“ bietet.
Eine schöne Idee hatte seinerzeit Barbetreiber Frido Keiling: Eine Bar als begehbarer Nachruf auf einen Musiker, Trinker, Kettenraucher von Format. Seit 1994 treten Cocktailfreunde in ein kleines Stück Frankreich ein und werden mit hervorragenden Drinks beglückt.
Aus den Boxen klingt die passende Musik, teils von Serge selbst, aber immer mit einem Hauch von Chanson, nichts aufdringliches. Schummeriges Licht um die Tische, etwas heller am Tresen. Die Wände sind teils nackter, grober Backstein, teils mit Bildern dekoriert, die Gainsbourg zeigen und schöne Damen wie Catherine Deneuve und Brigitte Bardot. Haben die seine Lieder nicht auch gesungen?
Musiziert wird regelmäßig auch während der Fete de la Musique, da sind die Darbietungen im Gainsbourg schon absoluter Kult.
Die Drinks waren einmal spitzenklasse. Irgendwann hat man aber aufgehört, den neuesten Trends zu folgen. Es gibt ein Motto, wofür braucht man einen Trend? Althergebrachte Eigenkreationen sind noch immer der Rede wert. Mein Lieblingsdrink ist der „Rastaman“, der fruchtig erfrischt und in rot-gelb-grün geschichtet, auch optisch ungewöhnlich an den Tisch kommt. Daneben verführt „Juliette Greco“ mit Mandarinenlikör, Rum, Vanille, oder „6.35“ mit Vodka, Ingwer und Cinzano, die zeigen, wie kreativ das Barteam vor Jahren wirkte.
Ich kenne das Gainsbourg in drei Varianten.
Zu Beginn eines Abends mit nur wenigen Gästen. Ruhig. Zeit für einen Plausch mit Stammgästen, Gläser werden sorgfältig poliert. Ein Bier, ein Champagner, ein Cocktail hier und da.
Am späteren Abend, vor allem am Wochenende platzt der kleine Laden aus allen Nähten. Die Musik ist nun lauter, die Luft ist angereichert mit Blut, Schweiß und Tränen und Rauch, der den Raum durchwabert. Geschickt bewegt sich die Bedienung im Slalom um die vielen Gäste zu den Tischen. Professionell. Auch im Hochbetrieb bleibt niemand unbeachtet.
Im Sommer wart es im Vorgarten immer am schönsten, wenn hinter Hecken geschützt, der Blick auf das Treiben rings um den Savignyplatz fiel und von der Terasse des spanischen Lokals nebenan das Tellerklappern und Gemurmel dazu kam. Nun ist Winter und die Schattenseiten spanischer Nachbarn stellen sich anscheinend heraus.
Der 15.01.2011 wird der letzte Tag der Gainsbourg Bar sein. Schnell hin, um noch einmal Abschied zu nehmen und einen tiefen Seufzer aus zustoßen, zu passender Musik.
Derzeit sucht man einen neuen Ort für das bewährte Konzept. Nähe Savignyplatz und mit Terrasse. Wer kann helfen?
Savignyplatz 5, 10623 Berlin-Charlottenburg
www.gainsbourg.de
Danke für den Hinweis. Ich freue mich auf die Neueröffnung und bin gespannt, ob sie die Karte aktualisieren werden.
Nochmal ein kurzes Update: es geht doch weiter, unter den S-Bahn-Bögen zwischen Uhlandstr. und Savignyplatz. Baustellenparty war schon, Eröffnung ist für den 02.04. angepeilt. Neue Location ist schön!
[…] EichiBerlin hat auch was dazu. […]
Genau. Schnell noch einen Rastaman. Hoffentlich finden sie einen schönen neuen Standort.
Ah, hatte ich auch drüber geschrieben… schade das. Bin gerade erst via mixology über Deinen Artikel hier aufmerksam geworden. Egal, mehrere Aufrufe zum letzten Cocktail im Gainsbourg können ja nichts schaden!