Katerstimmung an der Spree

Diese Jahresmitte vermag in Berlin bislang nicht wirklich als Sommer zu gelten und die Betreiber der Strandbars und Ufer-Clubs möchte man gerade wenig beneiden. Eine Bar wurde nach ihrer endgültigen Schliessung jedoch stark vermisst, der Verlust innig bejammert und die Neugründung erfleht. Die Bar 25.

Als Mythos der Club-Szene oft in einem Atemzug mit dem Berghain genannt, innbegriff des hippen und trashigen Impro im Dicken B. tatsächlich an der Spree. Ängstlich erkundet aufgrund der strengen Türsteherinnen; respektvoll begutachtet von Baumarkt- und Trödel-Freaks, ob der bemerkenswerten Sammler- und Heimwerker-Ausgestaltung. Und: es gab eigentlich immer sehr vernünftiges Essen!

So, nun ist sie also wieder da. „Kater Holzig“ nennt sich das neue Projekt, diesmal auf dem anderen Spreeufer, nahe der Michaelkirche anb der Grenze von Mitte zu Kreuzberg. Die Michaelkirche ist ein sehr bemerkenswerter Bau. Man hat in eine Ruine einen spannenden Ort der Versammlung hineinimprovisiert. Dass gleiche ist dem Team aus der Bar 25 mit der alten Industrieruine einen Katzensprung weiter gelungen.

Auf leisen Pfoten zum Katerschmaus

Auf leisen Pfoten zum Katerschmaus

Die Anlage ist vielfältig: chillen an der Spree, Konzerte in einer Vorhalle, Großartige Pizza im Innenhof, mehrere höher gelegene Terrassen zum trinken, turteln und verrichten typischer trendiger Tätigkeiten. Entsprechend steht auch ein Utensil im Innenhof, das derzeit anscheinend Kultstatus geniesst: ein Fotoautomat.

Im dritten Obergeschoss der Ruine wurde zudem ein Restaurantbereich eingerichtet, in dem der „Katerschmaus“ verzehrt werden kann. Im mPrinzip könnte ich mir jeglichen Bericht schenken, denn eigentlich ist es völlig egal, was ich hier schreibe. Das Ding läuft sowieso und wird das auch die projektierten zwei Jahre der Existenz tun. Ich weiss das, weil ich zur Toilette ging. Selbige (recht unspektakulär und einfach veranlagt in Hygiene und Ausgestalltung) befindet sich ein Stockwerk tiefer.

Gegenverkehr nahte und so innehielt ich am Treppenabsatz, um die drei Menschlein passieren zu lassen. Diese wiederum hielten mich wohl für den x-ten türstehenden Zerberus, den es auf dem Weg zum Katzenkratzturm zu überwinden galt. Selten wurde ich mit derart dankbar-devoten Blicken freundlichst gegrüßt. In ist, wer drin ist. Der olle Spruch hat seine Berechtigung. In München gibt es die Gattung der „Adabeis“, in Berlin müssten wir sie wohl als „Oochmittenmangs“ benennen. Nach kurzem, wenngleichschelmischen überlegen (Doppelbedeutung beachten!), liess ich die drei passieren, damit sie beim Katerschmaus in den Kanon des wohligen Schnurrens mit einstimmen mögen. Gelichzeitig ging mir der zeitlose Satz von Kurt Tucholsky durch den Kopf: „Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche dafür aber nichts zu tun.“

Nein, es wäre ungerecht, verschwiege ich das Essen, denn es ist tatsächlich gut, wie bereits in der Vorgänger-Location. Endlich ist es auch in einem Raum mit richtigem Dach über dem Kopf, die alte Bar 25 war für kulinarische Zweck doch recht witterungsanfällig. In jener dritten Etage kann man nun teilweise wundervolle Blicke auf Spree, Rotes Rathaus, Fernsehturm und den industriellen Charme der Umgebung geniessen.

Zuvor wird man allerdings selbstverständlich mit einer weiblichen Kontrollinstanz konfrontiert. Jene Einlassperson (Empfangsdame mag mir nicht so recht über die Tastatur kommen) hat vermeintlich mehr Gewicht an gepiercten Gegenstände im Gesicht, als Gramm auf den Rippen. Gutes Zeichen für eine Speisegaststätte? Beinahe möchte man ihr eine Stulle spendieren. Nach mürrischer Musterung  befiehlt sie den Gast Eindringling an den Tisch.

Der Raum ist großartig. Es ist diese trashige Hipness mit liebevollen Details, die bereits in der Woche nach der Eröffnung für vertraute Patina sorgt. Etliche Details wecken eben auch Erinnerungen an die verflossene Bar 25. Ein Hauch von Saloon-Style, viel Holz, dezenter Hirschgeweih-Kitsch, Trash-Sperrmüll und eine große offene Küche. Mein liebstes Detail sind die großen Olivenöl-Behältnisse, die man in Lampen und Blumenkästen umgewandelt hat. Alles ist selbstgebaut.

Das Essen selbst ist tadellos. Frische Zutaten, gerne bio, gerne aus der Region, ohne dabei ein Dogma zu verfolgen. Handwerklich schön, Tagliatelle auf den Punkt, das Rinderfilet ideal auf medium-rare und besonders der Nachtisch verdient Beachtung. Die Dame der Patisserien ist wohl neu im Team und bedeutet eine echte Bereicherung, wenn man den tollen Cheesecake mit Sauerampfer und das Biersorbet mit Pfirsich zu Grunde legt.

Also: gutes Essen, kreativ und handwerklich sauber, ohne eine Sensation zu erzwingen. Der preisliche Gesichtspunkt sollte nicht unerwähnt bleiben. Wir sind hier zwar alle hip und cool, trendy und stily, trashy und whatever, aber wir sollten zudem über angemessene Finanzreserven verfügen. Französischer Ziegenkäse auf Linsen zu 9.- Euro, Büffelmozarella mit Tagliatelle zu 15.- Euro, das Rinderfilet für 26.- Billig ist das nicht. Preiswert? Wir sind ja immerhin Oochmittenmang. Nunja.

Der Service vermochte bei diesem Besuch leider wenig zu glänzen und dazu beitragen, dass Wohlbefinden zu steigern. Viele Gestalten hantieren herum. Ein Jüngling scheint sich nur dem sparsamen eingiessen von Olivenöl hinzugeben, in welches man dann ein fades Weissbrot tunken soll. Viele Kater verderben die Mäusejagd? Vielleicht. Das die Flasche Wein ausserhalb meines Sichtfeldes entkorkt wurde, mag an diesem Ort verzeihlich sein. Aber als die zwei Gänge, die hintereinander gedacht waren, zeitgleich aufgefahren wurden und die Verantwortung für das Fehltiming selbstverständlich dem Gast zugeordent wurde, war ich schon ein wenig traurig. Die um Freundlichkeit bemühte Bedienkraft sah sich zwar nicht im Stande, auf den Untergang des 28-Euro-Rinderfilets angemessen rettend zu reagieren, fand aber tröstliche Worte und erkundigte sich, ob denn wenigstens eine gewisse Restwärme erhalten wäre und feuerte den Gast mit einem optimistischen „Ist doch besser als nix!“ zu mehr Frohsinn an.

Mein Frohsinn ist nachträglich nur mittelmäßig ausgeprägt. Strenge Gebotsschilder auf dem Gelände verraten, dass

Kater´s Kassendekor

Kater´s Kassendekor

Rassisten und Fotografen unerwünscht sind. Daher ist dieser Artikel recht mässig bebildert. Den Gedanken, die Teller zu zeichnen, habe ich rasch wieder verworfen, da mein mangelndes diesbezügliches Talent vermutlich als geschäftsschädigend angeprangert worden wäre. An das Fotoverbot hielt sich sonst eigentlich niemand.

Immerhin (Teil 1): Ich habe den lustigen Rechnungs-Teller heimlich-rebellisch abgelichtet.

Immerhin (Teil 2): Ich war drin…

http://www.katerholzig.de/

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Ein Kommentar zu “Katerstimmung an der Spree

  1. vilmoskörte sagt:

    Gut dass du da warst, dann brauch ich nicht mehr hin 😉

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