Jut jejodelt? Hauptstadt Hofbräu

Derzeit scheint Berlin ein einziger chaotischer Kleiderschrank zu sein. Vermutlich völlig unpassend zur aktuellen Bekleidungsumtriebigkeit mit der Modemessenmischpoke mittagass ich im Hofbräu inmitten der lederbehosten und bedirndlten Service-Brigade.

Der Bau am Alexanderplatz war zu DDR-Zeiten ein riesige Zentralkantine für die umliegenden Büros, genannt „Fresswürfel“. Heute bietet der Bau noch immer reichlich Raum und somit Platz für ca. 1.600 Gäste auf zwei Etagen. Auffangpotenzial für etliche Busladungen von Touristen, denen es womöglich egal ist, in welchem Teil Deutschlands sie mit Gamsbart und Blasmusik in Berührung kommen.

Es kann nur einen geben. Daher darf das Hofbräu Berlin nicht als Hofbräuhaus in Erscheinung treten. Da zeigt sich das bajuwarische Stammhaus unnachgiebig. Am Ende mag man sich wohl doch abgrenzen von dem Gebaren nördlich des Weißwurstäquators, wo nun mal „Watt willste?“ statt „Wos wuist?“ gesprochen wird.

Gleich gibts was auf den Deckel

Mit großen Vorurteilen behaftet wagte ich mich in die Höhle des Aloisius, jenes Dienstmanns auf der Wolke, der tatsächlich das Geschehen im Inneren überblickt. Die Furcht basierte auf diversen ungnädigen Berichten, aber auch auf Ankündigungen, die die Anwesenheit von Antonia aus Tirol, Mickie Krause und den Jetzendorfer Hinterhof Musikanten zum Maßkrugstemm-Wettbewerb androhten.

Alles war aber dann doch nur halb so schlimm. Freundliches Personal im Trachtenlook begrüßte sympathisch und empfahl den passenden Sitzplatz in der gewaltigen Halle. Neben dem Aloisius hängen riesige Kronleuchter von der Decke und illuminieren das Szenario mit Unmengen an Energiesparleuchten. Neben der regulären Speisekarte mit süddeutschen Klassikern von Hendl bis Haxe steht eine günstige Wochenkarte zur Verfügung, die fünf Tellergerichte zu günstigen Preisen zwischen 4,90 und 7,90 Euro offerierte. Die Preise der regulären Karte bewegen sich ansonsten rings um die Schweinshaxn mit 13,90.

Endlich bot sich wieder einmal die vermutlich völlig politisch unkorrekte, aber an Mahlzeiten der Kindheiten erinnernde Bestellung eines Zigeunerschnitzels, dazu ein gemischter Salat und die kleinstmöglich bestellbare Einheit eines Hofbräu Original Bieres: 0,5 Liter.

Schnitzel für mobile ethnische Minderheiten

Schnitzel für mobile ethnische Minderheiten

Ein Gericht von eher unspektakulärer Machart, das dennoch lustvoll vertilt wurde, vermutlich weil es eben nicht mehr so häufig angeboten wir, wie noch in den 1980er Jahren.

Völlig lecker, frisch und auch preislich überzeugend kam der Salat auf den Tisch. Knackig und mit sehr schönem Dressing machte sich Erstaunen breit, da in einem offensichtlichen Tempel der reichlichen Fleischeslust mit solch hervorragenden vegetarischen Optionen nicht eindeutig zu rechnen war. Allein für diesen Salat lohnt sich eine Wiederkehr.

Im Umfeld des Hofbräus befinden sich ja viele Büros und somit wäre das Haus eine gute Option auch für Berliner, wenigstens zur Mittagszeit. Wenn, ja wenn da nicht die Beschallung wäre. Sobald sich der große und der kleine Zeiger auf der Zwölf treffen, startet die Lederhosenkapelle unbarmherzig mit der Intonierung altbewährter Schunkel-Schrecklichkeiten. Wer möchte zu „oans, zwoa, gsuffa“ oder „Schorschi Polka“ ein ernsthaftes Geschäftsgespräch führen oder lesen.

Nun gut, für die Stimmungskanonen, die von Blasmusi und Maßkrügerl nicht genug bekommen und es der Welt angemessen zeigen mag, bietet der angeschlossene Fanshop die Möglichkeit, sich mit allerlei Ausstattungmerkmalen zum HB-Männchen zu machen. Da geht die Gaudi richtig los.

Einige sonderbare Blicke trägt es einem schon ein, beantwortet man die Frage: „Was gefiel Dir am besten am Hofbräu?“ mit „Der Salat!“ Aber so war es, da könnt ihr mit dem Kopf schunkeln, soviel ihr wollt. Prost.

http://www.hofbraeuhaus-berlin.de

6 Kommentare zu “Jut jejodelt? Hauptstadt Hofbräu

  1. eichiberlin sagt:

    Hervorragende Alpenländische Küche ist in Berlin zum Glück auch ohne Folklore möglich. Für den auswärtigen Besucher gilt wohl ab und an: es lebe das Klischee.

  2. Lakritze sagt:

    Klingt ja schon irgendwie gut, und über Dirndl kann ich (mit Mühe) hinwegsehen, aber die Musik wäre für mich der absolute Appetitverderber.

  3. oachkatz sagt:

    Das mit dem Salat ist gar nicht so verwunderlich: in vielen bayrischen, und wie ich jetzt feststellen durfte, auch schwäbischen Gasthöfen ist zu den Fleischgerichten hervorragende Salatqualität Standard, meist grün, Kraut, geraspelte Möhren, geraspelter Rettich/Radieschen, ein paar Gurken, ein paar Tomaten mit frischem, schön saurem Dressing ohne Mayonnaise, nicht durcheinandergeschmissen, sondern in Häufchen angeordnet.

  4. Uffnik sagt:

    wannst scho am flucha bist, vergiss „Sacklzement“ ned 😉

  5. kormoranflug sagt:

    Mit Deinem Beitrag hast Du das HB-Berlin überleben lassen. Hätte ich geschrieben wer es grausam geworden. Diese Halle mit den Bänken, der viel zu kurzen Sitzflächen, der Dekoration die nicht einmal an ein Bierzelt auf der Wies´n anknöpfen kann…. Aber ich wollte einfach keine so schlechte Kritik mehr schreiben.

  6. Philipp Elph sagt:

    Hahleluja – Luhja – Luhja sag i – zäfix Hahleluja – Luhja!

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