Cocktailbars in Hotels sind für mich ganz selten erstrebenswerte Orte, um einen feinen Drink in angenehmer Atmosphäre zu genießen. Warum? Weil in Hotelbars oftmals zwei Arten von Menschen anzutreffen sind.
A) Hotelgäste die zu doof oder zu feige sind, sich in der fremden Stadt nach interessanten Alternativorten umzuschauen. Zu blöd für die U-Bahn, zu knickerig fürs Taxi.
B) Business-Event-Teilnehmer in schlecht sitzenden Anzügen, die nach ihrer Veranstaltung mit glänzenden Gesichtern der Dame am Shaker zuzwinkern, eine Runde Bier ordern und dabei meinen, eine Uli-Stein-Krawatte wäre ein kosmopolitisch-kultiviertes Accessoire.
Ganz anders verhält es sich in der Qiu-Bar im Mandala Hotel, dessen Namen ich mir besser merken konnte, als es noch Madison Hotel hieß.
Zufällig findet diese Bar niemand. Sie befindet sich diskret versteckt im ersten Stock.
Das Hotel ist ruhig, elegant, leise. Diese Atmosphäre überträgt sich unmittelbar nach dem Betreten des Hotels. Ein ruhiger, freundlicher Gruß vom Rezeptionstresen (natürlich auch ein ruhiger, freundlicher Gruß retour), dann zum Fahrstuhl. Das klackern meiner Schuhe auf der Treppe mag ich der Stille nicht zumuten. Zudem blickt man aus dem gläsernen Fahrstuhl auf das erleuchtete Panorama am Sony Center, was ein durchaus fantastischer urbaner Anblick sein kann.
Ausstieg und man steht mitten in der Bar.
Die Bar-Lounge präsentiert sich in einem konsequenten modernen Design, das mir sehr gefällt. Dunkelbraun gediegen sind die ledernen Sitzgruppen (eher Sitzwürfel) meist in Nischen untergebracht mit dem Blick, den der Fahrstuhl bereits andeutete. Andere Bereiche sind diskret abgetrennt mit einem Vorhang oder um die nächste Ecke. Viele rechte Winkel. Aufmerksam späht das Personal nach dem nächsten Gästewunsch. Die Beleuchtung unterstützt die ruhig-diskrete Stimmung. Ich höre Gemurmel und dezente Jazzmusik.
Mein Platz soll heute zum ersten Mal am Bartresen sein. Mit charmanter Begleitung ist es sonst stets kuscheliger, auf den Ledermöbeln am Fenster Platz zu nehmen.
Der Barkeeper arbeitet hervorragend. Jeder Handgriff sitzt, passende Spirituosen für die Drinks werden souverän empfohlen, Zusammensetzungen erklärt.
Ich trinke selten Vodka Cocktails. Die Bar hat einen eindeutigen Vodka Schwerpunkt, ich zähle knapp 30 silberne Sorten vor dem Kontrast der goldenen Plättchen an der Wand.
Für meinen Vodka Gimlet wird mir der Ketel One empfohlen, da ein spezielles kasachisches Destillat leider gerade nicht zur Verfügung steht, aha! Vorgekühltes Glas, Drink wird bereitet und dann doppelt geseiht, zunächst durch den Strainer, dann durch ein Teesieb. Kein Eispartikelchen behindert die Ästhetik im Glas. Schön, klar, kalt. Knabberbeiwerk wird gereicht.
Kollege bestellt einen Cosmopolitan (wer´s mag…) an dem geschmacklich absolut nichts auszusetzen ist. Mit acht bis zehn Euro sind die Preise für die Drinks völlig angemessen.
Ich trinke ganz selten Sahnedrinks. Hier ist mein Lieblingsdrink der „White Apple“ mit Sahne und Calvados. Jedesmal bestelle ich ihn und erwarte, dass die Sahne die Spirituose erschlägt. Jedesmal werde ich (nicht wirklich) enttäuscht.
Ich habe alles versucht, ich finde nicht wirklich etwas auszusetzen. Nun gut, unter dem gleichen Dach werden im Restaurant „Facil“ famose Speisen serviert und anspruchsvolle Genießer verköstigt. Bestimmt überträgt sich das auf diese Bar und sorgt dafür, dass das Verhältnis von Qiu zur durchschnittlichen Hotelbar sich ungefähr so anfühlt, wie das Verhältnis vom Sternerestaurant Facil zu Dagmars Döner Deponie.
Potsdamer Straße 3, 1. Etage des „The Mandala Hotel“, 10785 Berlin-Mitte
www.qiu.de