Was für ein Idiot bin ich, der die deutlichsten Warnsignale übersieht. Draußen hängt die Leuchtreklame, die besagt: Entenkönig! Peking-Ente! Warum nennt sich das Lokal dann Shanghai? Sollten wir uns vor Shanghai-Enten in acht nehmen? Nein, das aufrechte Shanghai kann nichts dafür, wir sollten nur diese eine Adresse an der Kantstraße meiden.
Geiz ist grottig, aber der doofe Eichi musste ja auch den Tip-Gastroheft-Gutschein für das Peking-Ente-Menü ausschneiden, um dann an dem Lokal (beim fluchtartigen verlassen, erst) die Tafel zu entziffern, die besagt: Entenmenü 50% für jeden. Gehässig skandiert bestimmt das Personal: Sparfuchs, wir wissen wo die Ente hängt.
Die Inneneinrichtung ist relativ uninspiriert und unterkühlt. Eine grelle Lichterkette über dem tresen bildet das optische Highlight (sic!). Wer so ein fades Ambiente wagt, kann ja dann nur durch Kochkunst punkten? Nein. Nein!
In der Karte steht in maximalen Lettern: „Unser Koch hat die Goldmedaille.“ Oho! Aha! Beeindruckend. Nein?? Diese hier entpuppte sich beim näheren lesen des Kleingedruckten als Auszeichnung für das bereiten einer Platte im Jahre 1970(!).
Aus diesem Jahr stammten womöglich die Dekorationsbeigaben auf dem Teller. Meine Sinnesorgane wollten sich den gelb-bräunlich dahinwelkenden Elementen nicht so weit nähern, um zu erfahren, ob es sich um alte Petersilie oder gammeligen Koriander handelte. Die Karottendekoration mit ihren bräunlich-schwarzen Rändern hat in Zeiten der Finanzkrise bereits mindestens auf zehn Tellern gelegen. In besseren Zeiten wäre es ein Fall für das Gesundheitsamt.
Weitere ignorierte Warnsignale: Zu Beginn des Peking-Enten-Menüs wurde eine Sauer-Scharf-Suppe gereicht. Am Tisch befanden sich erfahrene Esser, die bereits in London, Peking und New York Peking Ente konsumiert hatten. Überrascht vor so viel origineller Kühnheit löffelten wir dummerweise die Suppe aus, die in jedem richtigen Menü eine Entensuppe hätte sein sollen, nein MÜSSEN!
Dann war Schluss, Ende der Hutschnur: Sauer eingelegte Gurkenstücke, die hätten frisch sein müssen und als Julienne geschnitten. Lauchzwiebeln voller Schmutzreste. Pfannkuchen, deren Ränder sich bereits trocken-abgestanden nach oben bogen. Eine Sauce, die nicht dickflüssig-aromatisch, sondern rötlich-klar mit undefinierbaren Bröckchen darin aufgetischt wurde…
Schluss, aus, wir gehen. Die Chefin verlangt den halben Preis (des halben Preises), eine Frechheit. Wir kehren ein paar Häuser weiter bei „Good Friends“ ein, bestellen Peking Ente und sind wieder in einer ernstzunehmenden Gastro-Welt, die glücklich macht.
Ein wenig beeindruckt bin ich immerhin und widme ein staunendes „Chapeau“ der frechen Waghalsigkeit, ausgerechnet auf der Charlottenburger Kant(on)-Straße derart unterirdische Qualitäten der chinesischen Küche als Spezialität anzupreisen.
Shanghai, Kantstraße 22, 10623 Berlin-Charlottenburg
Ich komme irgendwie nicht umhin, hinter der Formulierung „ein Gefühl der chinesischen Sicherheit…“ einen Hauch von Ironie zu wittern…;-)
die guten nackten gelackten Enten im Fenster von good friends geben ein Gefühl der chinesischen Sicherheit.
[…] Vielmehr möchte ich übermütig prahlen, das ich es bin, der weiß, wo in dieser Stadt die schlechteste Peking-Ente serviert wird. […]
Beinahe hätte ich heute Abend noch Hunger gehabt – jetzt nicht mehr. Ein Kaloriensparender Beitrag.