Bill Buford: Hitze

So rasant kann eine Reportage aus der Wirklichkeit sein.  Ein mitreißender, sinnlicher Erlebnisbericht eines gestandenen Journalisten, der Hals über Kopf beschließt, Koch zu werden. Bill Buford nennt es auch: Küchensklave.

Er wendet sich an den bekannten Koch Mario Batali, dessen Restaurant-Imperium New York mit italienischer Küche versorgt. Ganz unten in der Küchenhierarchie des legendären „Babbo“, darf Buford fortan seine neue DSC02580Karriere beginnen. Unglaublich intensiv vermittelt er das Geschehen im hinteren Bereich eines Restaurants. Angefangen von ruhigen, geregelten Abläufen der Vorbereitungsphase, über die Befindlichkeiten der Beteiligten und ihre Interaktion auf engstem Raum, bis zu der Hektik an der Stationen der Postenköche, wenn der Laden auf Hochbetrieb rotiert.

Mitreißende Temposteigerungen und eine sinnliche Sprache, bei der ich das Gefühl bekam, dass mir selbst während der Lektüre über den Einsatz an der Grillstation die Härchen der Unterarme weg-sengen. Hitze, eben!!

Aus Interesse entwickelt sich Leidenschaft. Buford reist nach Italien zu einigen der Lehrmeister des Mario Batali. Unmittelbar und authentisch will er lernen, wo die Ursprünge und Taditionen der italienischen Küche schlummern. Eine alte Frau weist ihn in die Komposition der Pasta ein, ein seltsamer Metzger vermittelt den Umgang mit Fleisch. Gedanken über Tierhaltung, Wein und Olivenöl werden zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Slow-Food.

Der Leser erlebt mit und lernt mit. Bill Buford forscht in den ältesten Kochbüchern, die er finden kann, recherchiert die frühesten Rezeptversionen einiger Küchenklassiker. Immer wieder greift er die Frage auf, ob die Franzosen nur so gut kochen können, weil Katharina de´Medici denen die italienischen Rezepte verraten hat.

Hoffentlich gilt sein nächstes Buch der Küche Frankreichs.

Erschienen 2008 im Hanser Verlag

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Trattoria Cucina Comoda (Charlottenburg)

Wenn nur dieser eine Kellner nicht gewesen wäre….

Traditionelle italienische Küche trifft auf ein modernes, bemerkenswertes Design. Originell und fantasiereich kommt das Interieur daher. Moderne weiße Leuchten hängen von der weißen Decke, umgeben von roten Wänden.
Nanu, auf den roten Wänden sind ja weiße Flecken?! Diese Flecken entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als auf die Wand gemalte Umrisse von allen möglich Gegenständen, die man in einer Trattoria erwarten würde: Töpfe, Pfannen, Pfeffermühlen, Wasserkessel, Messer, Katze, Knoblauch…
Mit einer aufwändigen Folientechnik angebracht und inszeniert. Der Blick wird durch Sitznischen gelenkt, die dann wie Bilderrahmen funktionieren.

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Hat man sich erstmal ausreichend umgeschaut, fällt der Grund des Hierseins spontan ein: Speisenverzehr! Nun würde gerne der Blick auf eine Speisekarte gelenkt werden, diese allerdings wird zunächst nicht gereicht. Der Kellner ist ja beschäftigt (der Koch hat uns daher zu unserem Tisch geführt) mit allerlei Weiterlesen

La Pignata (Charlottenburg)

Unauffälliger Geheimtipp nahe der ansonsten gastronomisch trostlosen nördlichen Wilmersdorfer Straße. Winzig ist dieser Italiener (besser reservieren) in Landhausoptik mit hervorragender Speisenqualität zu angemessenen Preisen. Will sagen: nicht ganz billig.
Sehr gut ist die Weinauswahl und -beratung(!)Es werden 14 offene Weissweine und 8 offene Rote ausgeschenkt. Ein Glas kostet 5-6 Euro und auch die Flaschenpreise sind recht günstig.
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Vertraute Stammgast-Atmosphäre. Viele der Anwesenden begrüssen sich untereinander. Hier wird gelacht und gefeiert, aber auch ein intimes Rendezvous hat hier einen romantischen Ort.

Unbedingt probieren: Lammkarree in Salzkruste für um die 25.-. Lecker waren ebenfalls die getrüffelten Teigtaschen mit Linsen und Estragon zu 13.-
Danach dann ein Pflaumen Pannacotta mit Birnenscheiben.

Spielhagenstraße 2, 10585 Berlin-Charlottenburg

Trattoria la Bottega (Charlottenburg)

Sardische Küche, die Freude macht.
Glücklicherweise ist die Anschrift eines Lokals keine Verpflichtung, entsprechende Küche anzubieten.
Der Volksstamm der Turonen hätte uns ansonsten schlichte Bratwurst aufgenötigt. Meiningen befindet sich im Süden Thüringens, die Allee auch noch an der Ecke zur Reichsstraße.

Besser ist es, wenn noch südlichere Küche frisch auf den Tisch kommt.
Zunächst kommt eine große Tafel auf einem Aufsteller an den Tisch, auf der die tagesfrischen Gerichte aufgeschrieben stehen. Diese ergänzen die Weiterlesen

Don Camillo (Charlottenburg)

Die Zeit ist hier auf merkwürdige Weise stehengeblieben. Ich habe stets das dejavu Gefühl, vor 30 Jahren bereits hier gewesen zu sein und es sah genau so aus. Damit meine ich nicht angestaubt, nur irgendwie Zeitreise. Heute nennt man das wohl „Retro“. In diesem Fall ist Retro aber ungewollt.

Zeitgemäß und frisch hingegen kommt die Küche des Don Camillo daher und kann im Sommer auf der herrlich begrünten Terrasse am Rande der Schloßstraße genossen werden.
Die täglich frischen Speiseoptionen werden am Tisch optisch präsentiert und die Möglichkeiten der Zubereitung reizvoll erläutert.

Mit Ausnahme der Weinkarte hat der Gast in der Regel hier keine Karte in der Hand. Die Speisenfolge wird mündlich abgesprochen. Am Ende des Abends ist problematischer Weise auch eine EC- oder Kreditkarte nicht hilfreich, denn Kartenzahlung ist hier nicht vorgesehen.
Das ist manchmal ärgerlich, denn die Speisen werden sehr verlockend angepriesen und so manches unbedachte „Oh, ja“ zu einer weiteren Vorspeise Weiterlesen

Trattoria Noi Quattro (Neukölln)

Heute huldige ich einer lebenserhaltenden Maßnahme.
Es begab sich dereinst am Tage des Eröffnungsspiels der Fußball EM. Ein befreundetes Paar (sehr kulinarisch ambitioniert) lud zur Kenntnisnahme ihrer Eheschließung.
Nun kann man zu diesem Anlass wohlmeinend das Glas erheben, oder zusätzlich einfach nur auf nette Leute, umfangreiche Getränke und üppige Büffetausstattung spekulieren.

Letzteres bestätigte sich nicht! Die übersichtlichen Platten mit Antipasti waren flugs aufgefuttert. Elegante Zurückhaltung stellte sich als fataler Fehler heraus. Lautes Magenknurren verstörte weitere Gäste.

Wenig später stieg die Bereitschaft, Fußball gegen Futter zu tauschen und auf dringende kulinarische Erkundung zum nahen Südstern zu strömen.
Auch wenn wir Weiterlesen