Currywurst und Molle reloaded. Das Meisterstück am Hausvogteiplatz

„Bitte ein Bier!“ Diese undifferenzierte Bestellung wird im frisch eröfneteten Restaurant Das Meisterstück glücklicherweise nicht allzu oft zu hören sein.

Schneider Tap X Nelson SauvinIn den Räumlichkeiten am Hausvogteiplatz, die zuletzt die Ausstellung des Fördervereins Stadtschloss beherbergte, hat das alte Preußen ausgedient und wird ersetzt durch das Konzept: Brot & Strich, Brat & Wurst, Craft & Bier. Ausgewählte Meister ihres Fachs liefern die Produkte für Teller, Glas und Wand. Eben Brot, Wurst, Bier und Kuckucksuhr.

Eine originelle und zugleich Bodenständige Auswahl der Speisen ergänzt eine eigene Bierkarte, die ca. 70 besondere Biere aus aller Welt listet. Den Kern des Bierangebotes stellt das Sortiment von Braufactum, die in Deutschland einige spannende Biere selbst herstellen und aus Italien, USA, Belgien und Großbritannien importieren. Dazu gesellen sich weitere Exklusive Gerstensäfte, wie belgische Klosterbiere oder das bemerkenswerte Fritz Ale aus Bonn, aber auch besondere hauptstädtische Kreationen von Brewbaker aus Moabit.

Die Gestaltung der Räumlichkeiten verdient Beachtung. Das Restaurant ist sehr groß und dennoch gelang eine hübsche Aufteilung, die einen hallenartigen Groß-Charakter vermeidet und das Verweilen in verschiedenen Nischen und Atmosphären ermöglicht. Auf augenzwinkernde Weise spielt die Möblierung mit teutonischen Produkten und der unvermeidlichen Gemütlichkeit. Aber mit einer Prise Ironie. Überall verteilt ticken knapp 40 Kuckucksuhren in altväterlichem oder megamodernem Design. Gerissene Streifen klassischer Tapeten gehen ineinander über, klassische Stühle, modern gefertigt, umgeben holzgescheuerte Tische. Ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sind die Gestalter mit diversen Foto-Tapeten. Eine grelle optische Imitation einer Amboss-Scheune brennt irgendwann im Auge. Und das Bild des Braumeisters über dem Tresen hätte etwas dezenter Ausfallen können. Hei-mat meets High-tech im Interior Design

Alle Speisen, die in der Auslage liegen oder in der offenen Grillstation zubereitet werden, wirken ansprechend und appetitlich. Die tägliche, durchgehende Öffnungszeit von 10 bis 01 Uhr, ermöglicht Sättigung und Genuss vom Mittagstisch zum abendbrot, oder eine rasche Käsekrainer oder Currywurst für zwischendurch.

Besonders bei der Currywurst tritt die Verwandtschaft des Meisterstücks zum Tucher am Pariser Platz zutage. Kommt diese doch an beiden Orten als Teller mit Glosche daher, unter der sich lediglich die Currysauce versteckt. Nach lüften der silbernn Bedeckelung, eilt noch der Koch hinzu und legt die Wurst obenauf. Bereits bei der Bestellung läßt sich auswählen, wie scharf, süß oder pikant angerichtet werden soll. Eine zusätzliche Prise Curry im Glas, zum nachwürzen, kommt noch dazu. Der Preis beträgt 7,50.

Currywurst. Empfehlenswert.Berlinbesucher am Gendarmenmarkt dürfen sich freuen, dürfen sie doch endlich – neben fulminanter Spitzenküche der Umgebung – auch diese Ur-Spezialität geniessen. (Das Wursthäusel am Deutschen Dom boykottiere ich grundsätzlich, da unser hauptstädtisches Heiligtum dort mit einer Semmel angepriesen, was das Berlinerische somit völlig ad absurdum führt…Es lebe die Schrippe!)

Aber auch nur eines der Biere läßt sich im Gebäude, im Hof oder im Sonnenschein zum Hausvogteiplatz verkosten. Teile des Personals sind bereits gut geschult, um den Gast biertechnisch zu beraten und die karte enthält einige Empfehlungen zur Kombination von Speise und Bier. Im Zweifel kommt ein kleiner Probierschluck zwecks Entscheidungsfindung. Unbedingt probierenswert sind das Braufactum Progusta (0,1 zu 3,80) oder das Sorachi Ace der Brooklyn Brewery (0,1 zu 5,80).

Brot & StreichAm Nebentisch hatte ein Ehepaar einige der ungewöhnlichen Bierempfehlungen befolgt und auch genossen. Aber dann verkündete der Herr der Kellnerin: „Jetzt möchte ich wieder ein richtiges Bier!“ Ja, der bundesdeutsche Gaumen muss sich erst daran gewöhnen, Bier nicht nur als Durstlöscher, sondern als Genussmittel wahrzunehmen. Von jenen „richtigen Bieren“ sind dann auch diverse vom Hahn verfügbar, wie Schultheiss, Hövels und Büble Helles. Dazu noch Schöfferhofer Weizen, wobei ich mir in Sachen Weißbier eine interessantere Marke gewünscht hätte. Zumal ich bei Schöfferhofer immer an die furchtbaren Mischelixiere á la Kaktusfeige, Birne-Ingwer und Grapefruit denken muss. Anti-Bier pur.

Die modernen Zapfhähne sind eher unauffällig seitlich des Tresens montiert, was dem Bierhausbetrachter das Gefühl gibt, dass am Tresen etwas zu fehlen scheint. Ein ordentlicher Zapfhahn, besser: eine Zapfbatterie wäre angemessener gewesen.

Bestuhlung, Biere und BeleuchtungDas Meisterstück wird mich definitiv wiedersehen. Die Würste waren zu gut und die Bierspezialitäten bleiben einen neuen Schluck wert. Der forsch-freundliche Service nimmt sich Zeit, besonders für die Bierberatung und erklärt geduldig die Funktionsweise der mühsamen Chipkarten, die man nachher an der Kasse abrechnet.

Was mir missfiel? Die Karte und der papierne, bedruckte Untersetzer mit dem Angebot sind manchmal zu kryptisch. Wortverliebte verbale Eigennamen und -kreationen  machen der Auswahl das Leben schwer und man möchte nicht ständig nachfragen müssen. Oft bleibt die Portionsgröße unklar und der Beilagensalat zu 4,50 ist unglaublich überteuert, zumal er nach vier Gabelhappen verschwunden ist. Auf den Getränkekarten würde ich mir eine Alkoholangabe bei den Bieren wünschen. Da sich viele der Spezialbiere im Bereich 7 bis 15 % Vol. Alc. bewegen, wäre diese Information zur Orientierung wünschenswert.

Kuckucke. Auch zum kaufen.Jedenfalls: Ein schöne Bereicherung für Berlin. Hervorragende Produkte und ein witziger, beinahe ironischer Raum, der die Region sympathisch und zeitgemäß repräsentiert. Eben berlinerisch-frisch und nicht altbacken Nikolaiviertel-Style. Den preislichen Extra-Euro rechtfertigt zwangsläufig die prominente Lage.

Das Meisterstück
Hausvogteiplatz 3-4
10117 Berlin-Mitte

www.dasmeisterstueck.de

Das Meisterstück auf facebook

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10 Kommentare zu “Currywurst und Molle reloaded. Das Meisterstück am Hausvogteiplatz

  1. eichiberlin sagt:

    Herzlichen Dank für das Kompliment zu der „Schreibe“. Da freue ich mich sehr, wenn´s gefällt. Anmerkungen, Ergänzungen und auch kritische Meinungen zu den von mir besprochenen Orten und Themen sind durchaus willkommen.
    Oft tragen solche Kommentare dazu bei, das Thema aktuell zu halten, wenn es zu neuen Angeboten oder zuweilen auch Schließungen oder Veränderungen kommt.

    Bei Differenzen mit Gastronomen oder Bewertungsplattformen gibt es sicherlich geeignetere Orte für eine Konfliktbereinigung.
    Ich für meinen Teil habe mich von Qype zurückgezogen, weil mir die Veränderungen in der Ausrichtung der Plattform und der bemerkenswert dilettantische Umgang mit einer lebendigen Community (bis zu deren Auflösung), zunehmend missfiel.
    Als diese Community noch intakt war, durfte ich einige großartige Menschen kennenlernen, worüber ich heute noch glücklich bin und daher gegenüber Qype auch dankbar bin.

  2. kormoranflug sagt:

    Tja, wir müssen immer und überall achtsam sein. Demokratie fällt nicht vom Himmel. 😉

  3. "Achtsam-wir-müssen-sein" sagt:

    Guten Tag, werter Autor.
    Also erstmal bin ich ganz angetan von der nicht überzogenen „Schreibe“. Läßt sich lesen 🙂
    Drum werde ich auch gerne das Meisterstück ausprobieren. Nach intensivem Studium online heute zu dies Location – es wurde in der Tat schon einiges geschrieben – will ich es nun genauer wissen. Und dann wäre es ja möglich, das ich etwas dazu schreiben / antworten wollte.

    Deswegen probiere ich jetzt erstmal aus, wie es hier mit einem Kommentar läuft. Und habe sogleich zwei Fragen:

    Ist es denn gern gesehen, wenn sich hier mit Kommentatoren zu den Beiträgen dann kleine Dialoge entwickeln?

    Und wenn ich weiterhin fragen darf: Ich habe hier auf dem Blog ja auch soeben lesen dürfen, das der geneigte Autor wie auch andere offensichtlich nach langer „Schreiberschaft“ Qype verlassen haben. Ich habe gar nicht so viel auf Qype geschrieben, bin aber als offensiver Kritiker gegen z. B. brutale Abzocke bei der Weinkalkulation in bekannten Berliner Gastronomien eingetreten. Um nur ein streitbares Element zu nennen. Mit dem Ergebnis, das Qype auf ein allertes Veto eines Gastronomiebetriebes mich heftigst zensiert hat. Dann ist nach meinem Veto interner Schriftverkehr von Qype – weit unter der Gürtellinie und entlarvend – offenbar irrtümlich mit an mich gemailt worden. Was ich eigentlich der Presse zuspielen hätte sollen. Aber genug der Details, das ist für mich genug gewesen, um das Prinzip zu durchschauen. Und meine Frage nun:
    Ging es Ihnen / Euch ebenso? Einflußnahme, Zensur, Verfälschung?

    Und ansonsten melde ich ja gerne mal nach dem „Meisterstück“. Wenn es hier wie gesagt grundsätzlich passt!.

    Mit besten Grüßen,

    „Achtsam-wir-müssen-sein“

  4. kormoranflug sagt:

    Das „Meisterstück“ muss ich mal testen, danke für den Bericht.

  5. vilmoskörte sagt:

    Ich habe heute nachgefragt, er arbeitet an der Weiße!

  6. eichiberlin sagt:

    Nun die Wurst hat auch die doppelte Größe der üblichen Imbiss-Curry (siehe Bild) und eine ganz ander Qualität (ohne Darm).

    Brewbaker Weisse? Fände ich sensationell. Die Michsäurebakterien halten die Braumeister ja bislang davon ab. Ich muss ihn sofort fragen. Danke für den Hinweis.

  7. vilmoskörte sagt:

    Wenn’s Wursthäusel heißt, kann es ja auch nix anders als Semmel anbieten. 7,5 € für ne Curry ist aber auch ein echter Touristenpreis – ist sie das wert?

    Apropos BB: Ich habe vernommen, dass Michael Schwab jetzt auch eine Weiße brauen soll …

  8. […] background-position: 50% 0px; background-color:#222222; background-repeat : no-repeat; } eichiberlin.wordpress.com – Today, 3:18 […]

  9. eichiberlin sagt:

    Tja, wo bleibt nur mein Strich auf dem Bierdeckel im digitalen Zeitalter??

  10. richensa sagt:

    Hört sich interessant an, sowohl der kulinarische Part als auch das Chipkartensystem 😉

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