Green Door Cocktail Bar (Schöneberg)

Sehr schlau ist die hiesige Wandornamentik im Betrunkenheits-Verschleierungs-Design. Psychodelische Wellenlinien und braune Maserungen lassen auch nüchtern ein leichtes, wirres high erblühen. Bewusstseinsveränderung im Notfall also auch alkoholfrei, macht aber weniger Vergnügen.

Also: Platz nehmen an der Bar, bestellen, Mixvorgang bewundern, genießen – und dann wieder von vorn.

Als es mich Mitte der 90er Jahre nach Berlin zog, war gerade ein neues Buch erschienen: Berliner werden in 55 Schritten. Überfordert von der Metropole (Umsteigen am Alexanderplatz von der S-Bahn zur U2, Horror!) ergriff ich flugs jenes Hilfsmittel. Nach ersten relevanten Informationen – der Berliner Taxifahrer; der Berliner und sein Hund; besser schwarze Kleidung tragen; die BVG… – kam der wesentliche Punkt: „Schritt 11: suchen Sie sich eine Lieblingsbar!“
Diesen Aufruf nahm ich sehr ernst. Und entdeckte, selbstverständlich, die Green Door.

Heute, etliche Jahre und Drinks später, Weiterlesen

The Violet Hour (Chicago)

Cocktails heute einmal nicht zur Blauen Stunde, nein, violett soll sie sein. Diese Bar ist eine der schönsten und stimmungsvollsten Orte für Mixkultur, die ich jemals besuchen durfte.

Die Bar zu finden ist gar nicht so einfach. Besser notiere man sich die Anschrift. Ganz versteckt und unkenntlich, ist sie nur durch eine unauffällige gelbe Glühbirne außen zu identifizieren. Zufällig ist sie nicht zu entdecken.

Was äußerlich wie eine fensterlose Lagerhalle wirkt, bezaubert sofort nach dem betreten. Mächtige Kristalleuchter hängen von der Decke, zwischen den Räumen sind schwere violette Vorhänge vor blauen Wänden. Die Sessel sind interessant: sie haben sehr hohe Rückenlehnen. Sitzt man um einen Tisch auf diesen Sesseln bilden die Lehnen einen abgetrennten, eigenen Raum im Raum, der sich dadurch Weiterlesen

Rum Trader (Wilmersdorf)

Ich übertreibe maßlos, wenn ich diese Bar eine Legende nenne.

Ein seltsam Retro-60ies anmutendes Einkehrobjekt im Eckgebäude an der Fasanenstraße, an dem eine Rumrelevante Fahne weht, die signalisiert, dass geöffnet ist. Klein ist es hier. Platz für sieben Menschen am Tresen (plus erhöhte Bank für zwei Wichtige Personen, falls sie kommen). Ein Tisch in einer ghettoisierten niedrigen-erniedrigenden Nische mit Sitzgelegenheit für 4-7, Garderobe, diverse Quadratzentimeter weiterer Stehraum für Nachrücker.
rum trader
Wer wagt – klingelt.
„Ah, schön Sie zu sehen. Hatten Sie heute wieder im Kohlenkeller zu tun?“ So lautet eine freundliche Begrüßung eines willkommenen Gastes, der nur mittelmäßig gewandet zu erscheinen wagt. Darauf erstmal einen Drink. Ich empfehle: Rum Sour oder Mai Tai (Stufe zwei, danach drei – es gibt mehr) zur Orientierung, Akklimatisierung.
Auf unterhaltsame Weise liefert man sich hier dem Connaisseur am Shaker, Herrn Scholl, aus.
Der Mann lebt seine Bar, er ist diese Bar. Er ist kultiviert, irgendwie brillant; mixologisch einwandfrei sortiert; er verfügt über eine Barbibliothek welche jeden historischen Drink bestellbar macht, er gewinnt jeden dichterischen Rezitierwettbewerb. Er ist Twenties. Er ist ein Snob. Er ist ein ganz besonderer Gastgeber.

Er ist Zigarrenraucher. Herr Scholl hat in Karlsruhe geklagt und allen Berliner Tabakgenießern einen Gefallen getan.

Herr Scholl trat würdig die Nachfolge des legendären Herrn Schröder an. Hans Schröder hat noch im alten Adlon gelernt. Er war ein Lieblingsbarkeeper von Ian Fleming, den er in Berlin und auch in San Francisco bei dem legendären „Trader Vic“ Bergeron bemixt hat. Man sprach viel über Martini, Vesper Martini, geschüttelt, gerührt. Ian Fleming widmete Herrn Schröder im Angedenken an seine feinen Getränke eine Passage in dem Buch „Thrilling Cities“. Später wurde daraus „Octopussy“.
Irgend so eine Agentenserie, sagt man.

Ich nehme noch einen Sanctuary, oder einen Creole Swivvel. Herr Scholl erzählt mir die Geschichte dazu (wenn er nicht gerade etwas an meiner Garderobe zu bemängeln hat). Die letzte Bestellung macht er selbst: er bestellt ein Taxi für den Gast, der am nächsten Morgen die Frage stellt: ist mir das wirklich passiert? Es ist. Oder?

Glauben Sie mir nichts, denn alles ist nur ein Gerücht. Dennoch: die Legende, sie lebt, mixt, genießt, erzählt.
Und eigentlich habe ich gar nicht so sehr übertrieben…

Fasanenstraße 40, 10719 Berlin-Wilmersdorf

Le Lion (Hamburg)

Glückliches Hamburg!
Eine solche Bar ist in der Hansestadt nicht ohne weiteres zu finden.
Eleganz und Stil strahlt das Interieur und das Lichtdesign aus, und – eine entsprechende Bepreisung der Getränke ist dabei unvermeidlich.
Schon beim betreten wird deutlich: wer billiges Trinkvergnügen aus bunten Eimern mit Schirmchen darauf sucht, sucht hier vergebens. Man stelle sich Herrn Meyer vor, wie er eine Polonaise durch diese Räumlichkeiten anführt.
Nein, nein, gedämpfte Stimmen, dezente Beschallung, aufrechter Gang, ohne dass die Nase ganz weit oben ist.

Die Karte ist klein gehalten, soll aber eben zur Beratung animieren. Die Beratung ist hervorragend. Einige Stichworte zum aktuellen Geschmacksbedürfnis genügen, schon wird aus einer Idee der Tresenhüter ein stimmiges Ergebnis im Glas. Dazu wird selbstverständlich Wasser gereicht und, bei Bedarf und Interesse, reichhaltiges Wissen aus Cocktailkultur und Bargeschichte.

Das Ambiente ist sicherlich Geschmackssache. Dunkle, schwere Farben und Materialien. Das kann schon erdrückend wirken, vor allem, wenn erst wenige Gäste zugegen sind. Besser gute Gesellschaft mitbringen.

Armes Hamburg!
Sehr bedauerlich, dass das Angebot an High-End Cocktail Bars doch recht überschaubar ist. Wer will schon lauwarm angerührte Plörre auf klebrigen Böden zu sich nehmen.
So ist es unvermeidlich, dass wichtige europäische Barveranstaltungen eben nicht hier, sondern in London, Berlin und Bratislava statt finden. Vielleicht ändert sich das ja bald. Das Le Lion ist ein großer Schritt dahin.

Rathausstraße 3, 20095 Hamburg

http://www.lelion.net/

Bar in der Mariannenstrasse (Kreuzberg)

Neue Cocktails für Kreuzberg. Sympathische Neueröffnung in dem Viertel rings um den Landwehrkanal, das derzeit immer öfter unter dem Namen „Kreuzkölln“ genannt wird.

Alles ist noch sehr frisch, man riecht noch einen Hauch von Malerarbeiten. Der Barbestand kann noch wachsen, das Grundsortiment ist durch alle Spirituosen hindurch schon hochwertig präsent.
Der Bartender hat schon in einigen Berliner Bars die Gäste bemixt, jetzt ist das eigene Projekt fällig. Man spürt Herzblut und Weiterlesen

Pegu Club (New York)

Eine Treppe geht es hinauf und man befindet sich in einer anderen Zeit. Im Kolonialstil ist die Bar eingerichtet, in mehrere Räume unterteilt.

Der Bartresen ist von beachtlicher Größe und die Spirituosen dahinter sagen dem Barfly: „Hier bleibt kein Wunsch unerfüllt!“

Selbstverständlich bestellt man als ersten Drink einen Pegu Club, nach dem sich der Ort nennt. Ein alter Klassiker (mit Gin, Cointreau, Limettensaft und Angostura Bitters), der endlich auch in Deutschland wiederentdeckt wird.

Sehr aufmerksame und freundliche Barkeeper, die absolut sorgfältig mixen. Auch kann man sich hier gute Tipps für weitere vielversprechende Cocktailexpeditionen in NYC holen.

Eigenkreationen, Fachwissen, sorgfältigst sortierte Spirituosen. Hier verbringe ich meine Happy Hours and hours and hours….

West Houston Street 77, 10012 New York

www.peguclub.com

Reingold Cocktailbar (Mitte)

Ein Klassiker der 90er Jahre wird modern wiederbelebt. „Treffpunkt im Unendlichen“ lautet das dominante Leitmotiv am Ende des langen Raumes. Ein riesiges Wandgemälde, vom Vorgänger übernommen, zeigt Klaus und Erika Mann.

Gemalt auf den Seiten des letzten Romans, den Mann vor dem Exil schrieb, eben „Treffpunkt im Unendlichen“.

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Die beiden waren berüchtigte Nachtschwärmer der 1920er und 30er Jahre und auf diese Epoche möchte das Reingold atmosphärisch und mixologisch Bezug nehmen. Gleichzeitig werden aktuelle Entwicklungen und Neuerungen der Barkultur ausprobiert.
Der elegante Tresen, die dezente Beleuchtung und der golden hinterlegte Barbereich sind dafür jedenfalls ein angemessener Rahmen.

Klassik trifft Moderne. Die Cocktail Karte zeigt das sehr deutlich: Der Martini kann auch als Martinez geordert werden, für die Zubereitung eines meiner favorisierten Klassiker „Sazerac“ stehen fünf Sorten Rye Whiskey zur Auswahl.

Für die Moderne stehen Molekulare Experimente á la „Sprizz Espuma“ und, dem derzeitigen Trend folgend, Cuisine Style Drinks mit Kräutern und Gemüsen. Überrascht und überzeugt hat mich dabei vor allem der „Pineapple Celery Boost“ mit Vodka, Bitters, Ananas und Sellerie.
Eine Kreation von David Wiedemann, der für den Neustart verantwortlich zeichnet und mit seinem jungen Team der Barschule Berlin die Tresenregie führt.
Vielversprechend ist seine Philosophie: Alle Sirups sind selbstgemacht. Alles Säfte sind frisch.

Eine definitive Neuerung in der Barszene ist ein „Tequila Sommelier“. Als „deutschlandweit einzigartig“ angepriesen, darf dieser bemitleidenswerte Mensch nun die Cocktail-Gemeinde davon überzeugen, dass Tequila, pur oder gemixt, etwas gaaaanz tolles ist. Na, viel Spaß.

Für diejenigen, die essenstechnisch mehr benötigen, als nur eine Selleriestange, gibt es eine Küche, deren kleine kreative Gerichte mit den Drinks harmonieren sollen.  Auf der Terrasse im historischen Innenhof ist der Tabakbereich.
Es gibt keine Happy Hour. Die Preise der Drinks liegen hauptsächlich zwischen 7,50 und 9,- Euro. Champagner Cocktails sind etwas teurer.
Pures Gold im Glase bietet das Reingold den Chapagnerliebhabern auch unvermixt. Glasweise ausgeschenkt wird Ruinart, weiß und als Rosé. Gute Wahl? Vielleicht die Beste!

Ab Ende September wird jeweils der Montag interessant. Dann wird ein Ruhetag zum Unruhetag unter dem Motto: „Triobar goes Reingold“. Dann wird die verschwiegene aber hervorragende Barkultur der „Triobar“ aus dem Versteck hervorkommen und die eher klassisch geprägte Drink-Stilistik schütteltechnisch darbieten.

Apropos klassisch: Wagners Arien sind nicht zu erwarten, dafür fehlt ein H im Namen der Bar. Ein musikalischer Direktor wird elektrofreie Musik einspielen. Im molekularen trend hip Zeitgeist Vokabular nennt man das hier „Ear Service“. Fein, fein.

Obwohl der Gedanke schon einen gewissen Reiz hat. Die Rheingold Bar: mit Wotans Mai Tai und Floßhilde Fizz.
Aber das ist ein anderes Konzept.
Freuen wir uns erstmal über den neuen, den alten „Treffpunkt im Unendlichen“. Cheers.

Novalisstraße 11, 10115 Berlin-Mitte
www.reingold.de

Bar am Lützowplatz (Tiergarten)

Eine Happy Hour kann durchaus zur Grimmig Stunde werden.

Eins vorweg: ich habe hier noch nie einen missratenen Cocktail erhalten. Die Damen und Herren hinter dem ewig langen Tresen verstehen ihr Handwerk. Aber Atmosphäre und zwischenmenschliche Schwingungen im Raum spielen auch eine Rolle.

So fein die Drinks abgestimmt sein mögen, man wünscht dem Personal in ihrem Miteinander das gleiche.
Es ist also Happy Hour. Auf der Terrasse ist gut gefüllt. Am Tresen nur 6-7 Gäste. Hinten, unter dem Dalai Lama Bild (wann kommt eigentlich Mao zurück, angeblich ist er aus künstlerischen Motiven verliehen worden?) eine grössere Runde in den Sesseln.
Soweit die Situation auf der nördlichen Seite des Tresens. Der Süden ist unruhiger. Das Lützowsche-Corps ist sich uneins. Dem einen ist das Licht zu hell, es wird abgedunkelt. Erzürnt stürmt ein Kollege herbei um uns wieder zu erhellen, danach wieder dunkler…
Musik befindet eine der Damen für zu leise, Volumen wird erhöht. Das Volumen in meinem Glas ist auf null – unbeachtet, dafür wird die Beschallung wieder herunterreguliert.
Das ist jetzt auch egal, da sich das Barkollektiv diesmal einig ist: der Orangensaftbedarf für den Rest der Nacht wird auf der Stelle im Voraus gepresst. An einer wirklich seeeehr lauten Maschine.

Diese Darbietung war gewiss recht unterhaltsam. Ursprünglich hatte ich mich irgendwie anders unterhalten wollen. Stattdessen Stressfaktor pur, dabei war noch nicht einmal „Trompeten“-Donnerstag, wo es richtig lästig voll wird.
Eine Ausnahme? Ich bin mir nicht sicher. Die Gast-Barmixer-Kommunikation ist hier öfters eher kühl.
Dabei könnte alles so schön sein. Der endlose Tresen; Qualität und Auswahl der Drinks (ich liebe die Champagner Kreationen); die frühen Öffnungszeiten mit langer Happy Hour.

Seltsame Vibrationen. Vielleicht hätte man das Kult-Bild nicht austauschen sollen. Gelegenheit für mich, einen politisch komplett unkorrekten Satz zu formulieren: Unter Mao habe ich mich viel wohler gefühlt, als unter dem ollen Dalai!

Ergänzung im November 2008: Juhu, Mao is back!

Lützowplatz 7, 10785 Berlin-Tiergarten
www.baramluetzowplatz.com/

Becketts Kopf (Prenzlauer Berg)

Es war ganz furchtbar. Ich habe in der Herrentoilette die Hände gewaschen, wollte mein optisches Erscheinungsbild im Spiegel goutieren und sah…….Becketts Kopf.

Es war Zeit zu gehen.

Obwohl noch einige Drinks der Karte neugierig machten. Das Becketts Kopf wechselt regelmäßig die Cocktail-Karte. Versteckt im literarischen Werk des Mr. B. finden sich die Getränke und jede aktualisierte Fassung ist recht aufregend.
Eine moderne, aktuelle Mischung von Cuisine Style und Old School lockt die Barflies.

Zusammen mit der diskreten Atmosphäre in rot und schwarz findet man sich zuweilen Seit an Seit mit Berliner Barprominenz riechend und schmeckend vor einem goldenen Getränk mit einem Hauch von Gewürzzweig mit einem Nanogramm von…..Geheimnis im Glas.
Der Harrington, der Monkey Gland, der Old Fashioned niederländischer Art. Die japanisch inspirierten Variationen. Neu. Einmalig in der Stadt.

Die Details sind schön: immer ein frisches Wasser dazu, zur alkoholischen Versuchung. Eine Form für Eis-Kugeln – optisch grandios.
Herrn Ebert bei der Arbeit zu betrachten ist eine Wonne. Mit leidenschaftlicher Akkuratesse schmeckt er jeden Tropfen ab. Und: es ist auch im Profi-Bereich keine Schande, mit Messbecher zu arbeiten, oder?

Zwei schöne Sätze im Menue: „Wir mixen keine schlechten Drinks.“
„Wir mixen keine Drinks mit obszönen Namen.“
Sehr angemessen.
Nur bitte doch mal einen echten Spiegel in die Herrentoilette montieren, bitte.
Cheers.

Pappelallee 64, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg
www.becketts-kopf.de/