Ruth Reichl: Falscher Hase

Tarnen, täuschen, testen. „Als Spionin bei den Spitzenköchen“ lautet der Untertitel zu diesem großartig unterhaltsamen Buch, in dem die bekannte (ehemalige) Gastro-Kritikerin de New York Times  ihre faszinierenden Erlebnisse als Undercover-Testerin schildert.

Auf dem Flug nach New York, um die neue Stelle als kulinarische Kritikerin anzutreten, wird Ruth Reichl von einer Mitreisenden zu ihrer Verwunderung erkannt und erfährt, dass sämtliche Restaurants in New Yor City auf ihre Ankunft vorbereitet sind. Alle haben bereits „Fahndungsbilder“ montiert, um die „Neue“ sofort zu erkennen.

Da hilft nur eines: Verkleiden und das immer wieder anders.

Nun begleitet der Leser nicht nur Frau Reichl  durch die faszinierend beschriebenen Lokale und durch die sehr sinnlich-appetitlich beschriebenen Gänge, sondern auch die Figuren, deren Rolle sie einnimmt. Mal ist sie die unscheinbare alte Damen, mal das naive Landei, mal die glamouröse Tussi und auch mal sie selbst. Manchmal erlebt sie das gleiche Restaurant in verschiedenen Rollen vollkommen unterschiedlich.

DSC02686Mich begeisterten ihre Berichte von glorreichen Menüs, desaströsen Verhaltensweisen und schadenfreudigen Experimenten. Mich begeistert auch ihr Credo, mit dem sie an das Phänomen „Gastwirtschaft“ herantritt: Nicht nur Essen wird verkauft, der Kunde zahlt auch für ein (hoffentlich) unvergessliches Erlebnis zu dem eben auch Service, Ambiente und Behandlung gehört.

Die deutschsprachige Taschenbuchausgabe ist 2008 bei Blanvalet erschienen

„Bombay Fusion“ Bar Design

Kühle Ästhetik, modernes Design, kühl und blau.

Eleganter Gin, subtile Aromen, eiskalt und, tja, in der Folge womöglich auch irgendwie blau.

Mit beiden Phänomenen kennen sich die Macher hinter dem (Bacardi-)Gin-Label „Bombay Sappire“ bestens aus. Einerseits ein guter Gin in ansprechender, auffälliger (blauen) Flasche. Andererseits Events und Wettbewerbe im Design-Bereich, die ausgefallene und kuriose Ergebnisse seit Jahren zutage fördern. Beispielsweise die genialen Gläserentwürfe, welche durch diese Veranstaltungen bereits hervorgebracht wurden.

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Relativ neu ist die Reihe „Blue Collection“, für die seit 2006 jährlich ein Künstler ein Objekt gestaltet. Drei gibt es davon, die derzeit für wenige Tage in Berlin im Stilwerk ausgestellt sind. Stark vereinfacht gesagt, zeigt das Designkaufhaus derzeit eine gewellte Lampe, ein sonderbares Sitzmöbel und einen Bartresen aus Acryl.

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Richtiger gesagt, präsentiert man im Rahmen des fünftägigen DMY International Design Festivals die „Light Wave“, die „Sapphire Lounge“ und eine „Bombay Fusion.“

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Das neuste Objekt, der Bartresen, steht im Vordergrund des Geschehens. Entworfen von dem Architekturbüro Graft (ja, genau, die immer irgendwie in Brad-Pitt-Undsoweiter-Zusammenhang auftauchen…), die in Anlehnung an den namensgebenden Saphir

der Gin-Marke „Star of Bombay“ mit seinen 182 Karat, Weiterlesen

Bill Buford: Hitze

So rasant kann eine Reportage aus der Wirklichkeit sein.  Ein mitreißender, sinnlicher Erlebnisbericht eines gestandenen Journalisten, der Hals über Kopf beschließt, Koch zu werden. Bill Buford nennt es auch: Küchensklave.

Er wendet sich an den bekannten Koch Mario Batali, dessen Restaurant-Imperium New York mit italienischer Küche versorgt. Ganz unten in der Küchenhierarchie des legendären „Babbo“, darf Buford fortan seine neue DSC02580Karriere beginnen. Unglaublich intensiv vermittelt er das Geschehen im hinteren Bereich eines Restaurants. Angefangen von ruhigen, geregelten Abläufen der Vorbereitungsphase, über die Befindlichkeiten der Beteiligten und ihre Interaktion auf engstem Raum, bis zu der Hektik an der Stationen der Postenköche, wenn der Laden auf Hochbetrieb rotiert.

Mitreißende Temposteigerungen und eine sinnliche Sprache, bei der ich das Gefühl bekam, dass mir selbst während der Lektüre über den Einsatz an der Grillstation die Härchen der Unterarme weg-sengen. Hitze, eben!!

Aus Interesse entwickelt sich Leidenschaft. Buford reist nach Italien zu einigen der Lehrmeister des Mario Batali. Unmittelbar und authentisch will er lernen, wo die Ursprünge und Taditionen der italienischen Küche schlummern. Eine alte Frau weist ihn in die Komposition der Pasta ein, ein seltsamer Metzger vermittelt den Umgang mit Fleisch. Gedanken über Tierhaltung, Wein und Olivenöl werden zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für Slow-Food.

Der Leser erlebt mit und lernt mit. Bill Buford forscht in den ältesten Kochbüchern, die er finden kann, recherchiert die frühesten Rezeptversionen einiger Küchenklassiker. Immer wieder greift er die Frage auf, ob die Franzosen nur so gut kochen können, weil Katharina de´Medici denen die italienischen Rezepte verraten hat.

Hoffentlich gilt sein nächstes Buch der Küche Frankreichs.

Erschienen 2008 im Hanser Verlag

Es gibt auch Wein in Berlin!

Anders als auf Hawaii, gibt es Bier zuhauf in Berlin. Bei Wein ist noch Aufklärungsbedarf. Eine hübsche Programm-Idee aus dem Theater im Palais am Festungsgraben, gleich hinter der neuen Wache.

Auf charmante, pointierte und musikalisch-gewitzte Weise führt das dreiköpfige Ensemble durch 800 Jahre Weinanbau und -konsum in Berlin. Liedgesang und kluge Zitate zum Thema erhellen die Besucher. Mal mit Wilhelm Busch: „Rotwein ist für alte Knaben, eine von den besten Gaben.“ dsc02143Oder Weinfreund Goethe wird öfters zu Rate gezogen. Von ihm stammt beispielsweise die kecke Bemerkung: „Ohne Wein und ohne Weiber, hol der Teufel uns´re Leiber.“ (Für die Dame am Klavier muss allerdings Bier bereitstehen, um die Arbeitsmotivation zu fördern.)

Amüsant, nachdenklich, witzig – kurzum facettenreich unterhält der Vortrag das Publikum in dem kleinen Kammertheater mit seinen 99 Plätzen. Natürlich darf auch die Praxis nicht fehlen, daher hat ein Winzer aus der Region einige Tropfen abgeladen, die getrunken werden sollen. Sechs Weine vom „Werderaner Wachtelberg“ können vor dem Stück und in der Pause verkostet werden. Ein Rosé aus der dsc02142Regent Traube ist dabei der schmackhafteste. Die angebotenen Roten sind ebenfalls recht nett, die Weißweine fallen unter die Variante der höflichen Verkostungsnotiz „interessant“. Sei´s drum. Der Abend macht Spaß. Für 28.- Euronen erhält man das Showprogramm, den Wein, unspektakulären Käse und extrem leckeres Brezelgebäck.

Die nächste Gelegenheit,  die Aufführung zu besuchen: Mittwoch 22.04.2009. Beginn um 20 Uhr.

http://www.theater-im-palais.de/

Dom Curry (Mitte)

Großartig, endlich erobert die Currywurst auch die touristisch relevanten Örtlichkeiten ohne große Unterschriftenaktionen, wie seinerzeit an der Brandenburger-Tor-Curry-Bude. Super, Hurrah!

Vor dem Deutschen Dom mit Blick über den wundervollen Gendarmenmarkt geht es hier neuerdings um die(!) Wurst.
Frohlocket, ihr Touristen, denn endlich werdet ihr urban angemessen für…..ganz doll hungrig…verkauft!

dsc021521Eigentlich sind es unglaubliche Schnäppchen, man zahlt halt den Slogan mit.

Ergo: „Style your own Curry!“ Bratwurst + Sauce + Semmel=3,50 Euro. Hoppla Freunde, stutzig geworden? Semmel? Hallo? Wenn hier nicht sofortstantepede „Schrippe“ feilgeboten wird, gibt es Ärger mit allen Berlinern. Ist für dieses Delikt auch das Ordnungsamt zuständig?

Alternativ gilt ein weiteres Sonderangebot für schlappe (hüstel) 6,50 Euro: „Wurst meets Pommes“ frohlockt man lyrisch.

Ferran Adrià: Ein Tag im elBulli

Ein kleiner, agiler Mann mit schwarz-grauen Haaren betritt die Bühne und benötigt gerade einmal 30 Sekunden, um den ausverkauften Saal in seinen Bann zu ziehen.

dsc02035Es ist Ferran Adrià, der beste Koch der Welt aus dem besten Restaurant der Welt. So zumindest steht es auf dem Einband des Buches, welches hier präsentiert wird. „Ein Tag im elBulli“, dem Restaurant, das 2 Millionen Reservierungsanfragen im Jahr aus aller Welt erhält, aber nur 8.000 Plätze vergeben kann.

Es geht um eine kreative Art zu kochen, die unter dem Namen Molekularküche in Deutschland beliebtes Opfer von Häme und Spott ist. Überhebliche Kritiker und träge Küchenchefs verdammen sie nur allzu gerne, die Technik, die Kochzutaten verändert, verwandelt, manipuliert, um den Konsumenten zu verwirren und zu überraschen. Neugierige, kreative und experimentierfreudige Köche trauen sich kaum, den Begriff „Molekularküche“ zu verwenden, ihn gar auf die Karte zu schreiben. Dabei experimentieren so viele Restaurants weltweit mit den verschiedenen Techniken und bereichern somit ihr Angebot, ohne gleich ein Dogma daraus zu machen.

Wird es Ferran Adrià gelingen, die skeptischen Deutschen zu öffnen, sie neugierig zu machen? Gerade hier in Berlin, wo die kulinarische Tradition nach deftig, nach Fleisch und nach viel davon, verlangt. Weiterlesen

Lancia Lifestyle Lounge (Mitte)

Fahren und Trinken. Das ist Lebensgefühl. Hunger auf Stil. Durst auf Design.

Etliche der Schauräume für Automobilisten entlang der Friedrichstraße und Unter den Linden verknüpfen Pferdestärken mit Kalorien und Designobjekten. Auch Lancia macht mit.

Fahren und Trinken. Drink and Drive? Nun gut, Lancia hat sich als Lancia LoungeKooperationspartner keinen Grappa-Produzenten herbeizitiert, sondern setzt auf Espresso der Marke Illy.
Die „Lifestyle Lounge“ (to lounge = faulenzen; the lounge = eleganter Warteraum verrät das Pons Kompaktwörterbuch) ist schon schön schick. Fläzige Couchgarnituren, unbequeme Barhocker, schwarz-weiß kontrastierende Farben, geschicktes Beleuchtungsdesign, modemeinende Zubehör-Accessoires, gähnende Leere.
Es fällt leicht, sich diesen Raum mit einer gut gekleideten, belanglos plaudernden, mit C-Prominenz durchsetzten Meute vorzustellen. Leider kam während meines Aufenthaltes kein einziges langwimpriges Gucci-Mannequin hereingehuscht, kein eleganter Beau im Tom-Ford-Anzug schreitet in handgenähten Budapestern über den roten Teppich (jawohl: beim Eintreten fühlt man sich wie ein Star; nur dass niemand applaudiert). Ich bleibe alleiniger Gast.

Fahren wir fort und trinken Weiterlesen

Deutsches Currywurstmuseum (Mitte)

Wie oft wurde in den vergangenen Jahren bereits ein Currywurstmuseum angekündigt und nie ist etwas daraus geworden.dsc02017

Nun endlich, zum 60. Jubiläum der sensationellen Erfindung von Herta Heuwer, seinerzeit am Stuttgarter Platz in Charlottenburg, wird es so weit sein. Fünf Mio. Euro werden hineingesteckt in das Projekt gleich um die Ecke vom Checkpoint Charlie.
Bis zur Eröffnung am 16.08.2009 ist zwar noch ein wenig Zeit, von außen ist der Ort aber bereits dsc02016erkennbar. An der Fassadenfront erzählt eine Art Comicwand von typischen Szenen, Sprüchen und Begebenheiten, die sich typischerweise an einer Currybude zutragen.

Wenn die Türen auf gehen sieht man die Arbeiter geschäftig werkeln. Brutal und trostlos aber ist deren Mittagspause. Denn: Eine vernünftige Currywurst ist derzeit weit und breit nicht zu bekommen und so muss bis August mäßige China-Pfanne gemümmelt werden.

Schützenstraße 70, 10117 Berlin

www.currywurstmuseum.de/

Abgeordnetenhaus von Berlin

Das Abgeordnetenhaus von Berlin ist ein wundervolles Gebäude.
Viel zu wenig Menschen gehen hier hinein. Die Gründe liegen auf der Hand: Am Wochenende ist es nicht öffentlich zugänglich und an anderen Tagen steht man dem grünuniformierten Obachtgeb-Personal gegenüber. Dieses gilt es zu ignorieren und strammen Schrittes durch die Doppeltüren zu eilen.
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Im Inneren fühle ich mich wie in einem britischen Kolonialhotel. Das Parlamentsgebäude ist zunächst sekundär. Mondäne Treppen mit roten Teppichen flankieren die Haupthalle. Treppauf geht es in die Bürobereiche, zur Besuchertribüne im Plenarsaal und der Gemäldegalerie, welche die Ehrenbürger von Berlin porträtiert.
Im Erdgeschoss befindet sich eine sehenswerte und kurzweilige Ausstellung zur Berliner Parlamentsgeschichte. Die historischen Episoden Weiterlesen

Art-Hotel Charlottenburger Hof

Wer in Berlin lebt, steigt naturgemäß eher selten in den örtlichen Hotels ab. Dennoch stellt sich immer wieder die Frage: Wohin mit dem lieben Besuch, den fragwürdigen Bekannten und der buckeligen Verwandschaft?

Zwei Möglichkeiten gibt es. Die Nervensägenkategorie (z.B. „Wo wir essen, ist mir egal…“; „Acht Euro für einen Cocktail ist aber teuer….“; „Dies ist mein neuer Freund, er ist Finanzbeamter, und nun machen wir eine Woche auf Pärchenterror…“) schicke ich in die zahlreichen Unterkünfte, die irgendwas mit „Mitte“ im Namen haben, sich aber in der finstersten Ecke vom Bezirk Wedding befinden.

Den lieben Besuch, der gerne und oft wiederkommen soll, platziere ich zuweilen im Charlottenburger Hof. Weiterlesen