Heraus zum 1. Mai!

Pünktlich zum 1.6. muss ich doch noch berichten, was sich am 1.5. in den wilden Straßen der Hauptstadt zugetragen hat.

Niemand wird überrascht sein, nun von roten Fahnen, fordernden Parolen, markigen Worten und verwegenen Unzügen zu lesen. Dennoch trug es sich ein klein wenig anders zu, denn ausgerechnet zum 1. Mai rief das Team der Victoria Bar zum bewährten „Wandertag der Schule der Trunkenheit“, den ich glücklicher Weise auch in diesem Jahr wieder als Co-Moderator zum historischen Berlin begleiten durfte.

Zunächst die Fahne:

Wer trinkt, darf auch eine Fahne haben

Wer trinkt, darf auch eine Fahne haben

Unter der roten Fahne – eine Sonderanfertigung zum Wiegenfest des Webers – versammelte sich eine Schar wackerer Gesellen und Gesellinnen, um dem Tag der Arbeit den einen oder anderen Drink abzuringen. Genossen! wurden diese dann während der Wanderung.

Es galt demnach, Pfade des Nachtlebens damals, gestern und heute zu erkunden und Orte aufzusuchen, die Getränke-Geschichte schrieben, rührten und schüttelten. Teilweise im Geiste, teilweise real suchten wir sie heim: das Romanische Café, der Wartesaal des Genius, Das Café Größenwahn, die Kakadu Bar und das Eldorado. Mitsamt ihrer

Sherry Cobbler im Hof des Ellington

Sherry Cobbler im Hof des Ellington

legendären Gäste und bemerkenswerten Getränke. So durften wir im wunderschönen Hof des Ellington Hotels an das alte Ballhaus Femina erinnern.

Die fordernden Parolen richteten sich an unsere Barkeeper, die den nächsten Drink bereiteten, oder an die Gestalten der 1920er Jahre, wenn an Tisch 17 ein Eintänzer angefordert wurde. Das Lied „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ erinnert an diese Epoche und ein armer Wiener namens Samuel Wilder würde als Eintänzer einen Durchbruch erleben, der ihn später einmal unter dem Vornamen Billy unsterblich machen sollte.

Markige Worte aus den alten Revuen wurden rezitiert. So textete Friedrich Hollaender 1927: „Wir sitzen doof und ohne Portemonnaie; vor unseren leeren Gläsern im Stammcafé. Mittag von Punkt 12 Uhr; bis Abends um Punkt 12 Uhr…“

Der verwegene Umzug wurde gar von einer offiziellen Schülerlotsin begleitet.

Warteampel des Genius

Warteampel des Genius

Nur kurz wurde der Trupp der rotbefahnten von einer stattlichen Polizeikohorte umstellt, die sich wohl wunderte, wer dort über den Kudamm zieht und alkoholschwangere Reden schwingt, die von der Legende des heiligen Trinkers künden.

Am Ende waren die Trinker nicht heilig, aber dennoch mindestens selig!

Allerdings war meine Kampagne zur Wiederbelebung der Berliner Weisse, des Ur-Cocktails der Spreemetropole, wieder einmal mittelmäßig fehl geschlagen. Aufgemerkt: Im Herbst wandern wir wieder wunderbar wild. Wannmeldung? Wictoria wragen!

Zum ersten Mai selbstverständlich eine rote Weisse, Genossen!!

Zum ersten Mai selbstverständlich eine rote Weisse, Genossen!!

Brunch Royal – Ein Hoch auf unsere Mütter

Das sonntägliche Brunch in der Brasserie Desbrosses im Hotel Ritz-Carlton am Potsdamer Platz ist schon längst kein Geheimtipp mehr. Die üppige Auswahl an feinen Spezialitäten von der Fischtheke bis zum Dessertbüfett sprach sich in den letzten Jahren unter den Hauptstadtgourmets herum und konkurriert Woche für Woche mit dem gleichsam schlaraffigen Brunch des Hotel Adlon.

Ein Traum: die altehrwürdige Brasserie-Atmosphäre

Ein Traum: die altehrwürdige Brasserie-Atmosphäre

Besondere Tage erfordern besondere Ideen! So dachte das Team der Brasserie Desbrosses bereits zu Ostern und nun, zum Muttertag, legen Sie noch eine Schippe (bzw. noch eine Perlage)  zu: Für den Muttertag wird Moët Chandon von dem aufmerkasamen Service-Team reichlich in die Gläser gegossen. Auf Wunsch (und gegen entsprechenden Aufpreis) erfolgt der prickelnde Nachschub auch aus Flaschen mit Dom Perignon.

Prickelnde Durstlöscher

Prickelnde Durstlöscher

Das österliche Verwöhn- programm beinhaltete beispielsweise eine vortreffliche Ochsenschwanz Consomme mit Ravioli, rosa gebratene Lammkeule mit Olivenkruste und herrlich frischen Kaisergranat.

Neben dem Aufenthalt in dem wunderschönen historischen, seinerzeit aus Frankreich herbei geholten Gastraum einer klassischen Brasserie, lädt zudem die Außenterrasse die Sonnenhungrigen zum entspannten genießen.

Ganz groß auch für die Kleinsten

Ganz groß auch für die Kleinsten

Auch an die Kleinsten wurde gedacht. Der Osterhase versteckte kleine Leckereien und schickte die Nachwuchs-Gourmets auf die Suche. Zuweilen gewährte Herr Hase auch den älteren Kindern einen Griff in den Osterkorb.

Kommt der Osterhase, sind wir alle Kinder

Kommt der Osterhase, sind wir alle Kinder

Zum Abschluss belagerten die Gäste die Stationen mit den süßen Kreationen der Patisserie. Was für eine Auswahl von Dessert-Varianten, man wollte gar nicht satt werden. Eine Crepe-Station mit endlosen Toppings (großartiges Mango-Eis), eine crispy Schokoladentorte zum hineinsetzen, Champagnersüppchen, Mascarpone-Aprikosen-Schaum, Strawberry-Cheesecake und reichlich Pralinen-Trüffel.

Ohne Worte

Ohne Worte

Mal Ostern, mal Muttertag. Gerne darf ein jeder Sonntag ein Brunch-Feiertag sein. Und eigentlich ist er das bereits. Jeden Sonntag zum Champagner-Brunch im Ritz Carlton.

www.desbrosses.de

Großartig, grauenvoll und erheiternd – Ein Universum

Genauer gesagt: der Universum Grill.

Die steigende Anzahl an anspruchsvollen Steak-Restaurants in Berlin erfüllt mich grundsätzlich mit Freude. Porterhouse und Hochrippe, auf medium-rare zartrosa gegart, halten endlich Einzug in das Bewusstsein der preußischen Carnivoren und wagen den Angriff auf  „gemischte Grillteller, alles gut durch“. Bravo!

Kürzlich plauderte ich mit dem vermutlich Steak-Kompetentesten Barkeeper der Stadt einmal wieder sentimental über die großartige Versorgung in NYC, beispielsweise durch Peter Luger, Wolfgang´s oder Keen´s Steakhouse und wir tauschten gegenseitige Berichte und Erlebnisse über eine bislang ziemlich enttäuschende Steak-Neueröffnung nahe dem Märkischen Museum aus.

Gelegen in dem schönen Bauensembel um die Schaubühne, geschaffen von Erich Mendelsohn

Gelegen in dem schönen Bauensembel um die Schaubühne, geschaffen von Erich Mendelsohn

Die Fleischeslust war geweckt und somit strömte ich für einen ersten Versuch in den Universum Grill im Wilmersdorfer Teil des Kurfürstendamms. Schauplatz Schaubühne am Lehniner Platz, wo bereits die Universum Bar Mischgetränke schüttelt und eine Ecke weiter der himmlische Name nun auch Sternensteaks vom Grill auf die Umlaufbahn lenkt.

Das sehr schöne und design-technisch entspannte Lokal war voll. Die Bedienkräfte waren überfordert und dennoch um heitere Aufmerksamkeit bemüht. Letzte Plätze am Tresen mit Blick in die offene Küche waren für uns zwei Personen frei.

Die Betreiber haben italienische Wurzeln. So ist die Besonderheit in diesem Restaurant  das toskanische Chianina Rind aus der Gegend um Panzano, nicht weit von Florenz. Seit ich die unglaublich intensiven Zeilen zu dieser Fleischqualität in dem großartigen Buch „Hitze“ von Bill Buford las, bin ich tatsächlich „heiß“ auf dieses Fleisch. Er schreibt darin: „Das beste Fleisch, das ich je gegessen habe…“

Direkt vor uns, in einer appetitlichen Kühlvitrine, lag die Fleischauswahl bereit, auch das Chianina war darunter. Die Ernüchterung kam, als die Kellnerin auf die Größe verwies: „Wir haben nur große Stücke. Das kleinste wiegt 1600 Gramm.“ Bei einem teuren Fleisch, das pro 100 Gramm zu entlohnen ist, stoßen selbst zwei gute Esser an monetäre und mengenmäßige Grenzen. „Dann müßt ihr beim nächsten Mal halt mit mehr Leuten kommen“, lautete der wenig hilfreiche Rat der wohlmeinenden Bedienkraft. Im Laufe des Abends würden noch weitere Gäste in Zweierkonstellationen nach jenem Rind fragen, um anschließend bedauernd abzuwinken. Da wäre dem Betreiber ein Nachdenken im Sinne des Umsatzes angeraten…

Wir wichen aus auf eine irische Hochrippe, die ihrerseits nicht in Karte stand. Im Endeffekt war sie wiederum zu wenig für die beiden soliden Esser. Aber es war eines der besten Stücke Fleisch, die ich in Berlin jemals gegessen habe. Hervorragende Fleischqualität, auf den Punkt perfekt gegart. Super!

Eine weitere lustig Idee für Weinfreunde, ist der Titanic-Wein, den sie

Titanic Weine

Titanic Weine

anbieten. Nach einem Wasserschaden im Weinkeller werden die betroffenen Edleltropfen zu 49.- Euro je Flasche offeriert. Man bekommt eine Holzkiste mit diversen Flaschen zur Auswahl an den Tisch und kann dann mutmaßen, welcher Wein wohl höchsten Genuss verspricht und welcher Wein bereits zur Essig-Fraktion zählt. Bei einer Essig-Wahl darf man glücklicherweise erneut in die Kiste greifen.

Der Korken bröselte und daher kamen wir in das Vergnügen, eine mir bis dato noch nicht geläufige Variante des Dekantierens zu erleben: durch das Geschirrtuch gefiltert. Gut, dass dieser Wein auch andere Gründe aufwies, ihn zu reklamieren.

Dekantieren re-loaded

Dekantieren re-loaded

Manche Tische erhielten Brot und Oliven vorweg gereicht, bei anderen wurde es vergessen, ein gewisse Hektik war dem Service anzumerken. Eine größere Gruppe war anwesend, dennoch war die Personaldichte nicht erhöht worden. Mein Nachtisch bestand aus einer Bratwurst-Mixtur, da der Magen noch knurrte, meine Begleitung stöhnte lustvoll ob des Schokoladenfondants mit Valrhona-Kakao. Absolut dämlich wirkt es in einem US-inspirierten Restaurant-Konzept, wenn keinerlei Kartenzahlung möglich ist. Im Notfall geleitet das eh schon gestresste Personal den Zahlungswilligen in die benachbarte (samstäglich völlig überlaufene) Universum Lounge, wühlt sich einen Weg durch das Gedränge und ermöglicht dort den Zugang zu einem Kartenlesegerät.

Nachher kehrte noch der frohsinnige Spaßmoderator des Quatsch-Comedy-Club mit deinem Gefolge ein. Da wurde klar, dass für den Besuch in diesem Restaurant eine gewisse Portion Humor unumgänglich ist. Und das bei so genialen Steaks. Das haben die Jungs am Grill nicht verdient.

Easy going. What about coming back?

Easy going. What about coming back?

Fazit: Ausbaufähiger studentisch-engagierter Service, hervorragende Steaks, originelles Dekantier- verhalten, lächerliche Cash-only-Politik. Was hier un-rund läuft, liegt kaum an dem durchweg bemühten Personal vor Ort. Es liegt vielmehr an unausgereiften Vorgaben des Betreibers.

Kurfürstendamm 156, 10709 Berlin-Wilmersdorf

www.universumlounge.com

Pret A Diner – Restaurant mit Ablaufdatum

Zeitung zur Zubereitung

Zeitung zur Zubereitung

Bereit für ein Abendessen? Dann aber Beeilung, denn nach nur 35 Tagen wird dieses Restaurant wieder verschwinden. Untertauchen auf unbestimmte Zeit.

Pret A Diner nennt sich das szenewirksame Konzept von Klaus Peter Kofler, einem kulinarischen Unternehmer, dessen Catering-Unternehmen zahlreiche hochkarätige Veranstaltungen vor dem Hungertod bewahrt.

Entsprechend professionell kommuniziert die Unternehmens-PR das aktuelle Restaurant auf Zeit und liefert die Vorlagen, die bereits in zahlreichen Medien entsprechend verbraten wurden:

Es ist ein Pop-Up Restaurant

oder:

Es ist kein Pop-Up Restaurant, es ist eine „dining experience“

daneben geht es um die:

„Demokratisierung von Luxus“

bei der gute Menschen am Werk sind:

Kostendeckung und Gewinne werden nicht erwartet, dafür arbeitet man CO2-neutral

Man wollte Rummel und Gewese, man bekommt Rummel und Gewese. Her mit einem Glas Schaumwein für die Damen und Herren der Kommunikations-Abteilung, deren Textvorgaben, pünktlich inszeniert zur Fashion-Week, allerorten nachzulesen sind. Egal. Andere Aspekte wecken mein Interesse:

Vor allem die Prämisse des „casual fine dining„, ein Phänomen, welches mich beständig beschäftigt, vor allem, weil ich es hierzulande so selten erlebe. Immer wenn ich aus New York zurückkehre, überfällt mich ein chronisches Kopfschütteln über die Art, wie dort geniales Essen mit hochwertigem Wareneinsatz in entspannter Atmosphäre mit professionellem, aber lockerem Service funktioniert. Das Lokal „Spotted Pig“

candle-light-experience

candle-light-experience

im West Village wäre so ein Beispiel, wo man im T-Shirt im Pub sitzt und einen famosen Burger mit Roquefort verspeist und kaum bemerkt, dass man in einer Speisestätte mit Michelin-Stern verkehrt. Kein steifer Kellner lauert in meinem Rücken, um mir vier Tropfen Wasser nachzuschenken und das Gefühl ständiger Beobachtung vermittelt.

Das Pret A Diner geht für sechs Wochen mit casual fine dining an den Start und nach jeweils zwei Wochen kommt ein neuer Koch  an die Herde über den Geldschrankgewölben der Alten Münze. Jeweils mit einem Menü das drei Gänge (mit Fleisch oder vegetarisch)  zu 39 Euro beinhaltet. Frische, regionale Produkte sollen im Vordergrund stehen, Dessert und Käse wird zusätzlich offeriert, mehr nicht, es soll ja irgendwo kalkulierbar bleiben. Den Auftakt machte Matthias Schmidt von der Villa Merton aus Frankfurt am Main, danach zeichnet Bernhard Munding aus dem

Tresor-Tour inklusive

Tresor-Tour inklusive

wundervollen Dos Palillos in Berlin verantwortlich und die letzten beiden Wochen bestreitet Wahabi Nouri aus dem Piment in Hamburg. Man sieht: hier sind einige Sterne am Start.

Durch kerzenbeleuchtete Gänge, entlang der Tresorkeller der Alten Münze führt der Weg treppab und treppauf zu einem improvisiert zusammengezimmerten und dennoch eleganten Gastraum mit separater Bar davor. Auf einer Empore warten Separees  und moderat-obszöne Kunst-Kauf-Ausstellungen. Dass die Separees zum Essen für kleinere Gruppen

Blick von der Empore

Blick von der Empore

vorgesehen sind, sollte ich in diesem Zusammenhang deutlich machen. Die diversen Bediensteten sind ausgenommen freundlich und sprechen hauptsächlich englisch. Der Service war ausnehmend nett und engagiert, heiter und kenntnisreich. Auf meiner Rechnung steht, dass es Jenny war, die uns umsorgte und zu einem prachtvollen Abend hervorragend beigetragen hat. Das war nicht absehbar. Es war ja Modemesse und das Publikum entsprechend. Optisch verrieten die Gäste nicht zwingend, dass kulinarischer Genuss ihnen etwas bedeutet. Mir ward bewusst, dass ich umfangreich auffalle.

Das Essen? Tja, wann hat man schon einmal die Gelegenheit, das gleiche Essen zu sich zu nehmen, was die üblichen Verdächtigen der Gastro-Kritik gleichfalls verspeisen und bewerten? Das Menü von Matthias Schmidt liest sich lyrisch-kryptisch. Rätselfreunde aufgemerkt: a lamb gets lost in a horseradish snowstorm. Prosaisch erklärt mit: Müritzlamm und Petersilie. Chocolate falls in love with the earth forever liefert die Indizien: Schokolade und Zuckerrübe. Mir hat es gut geschmeckt. Und viel wichtiger: der Abend hat Spaß gemacht und das Essen trug viel zur Unterhaltung bei, da man sich damit großartig beschaftigen konnte. Mit spannendem Meerrettich-Sorbet, herrlichem Saiblings-Tartar und dem perfekt gegarten Müritz-Lamm mit einem fein abgeschmecktem Püree von Petersilien-Wurzel.

Für die FAZ war Thomas Platt zum testen vor Ort. (Beinahe bedauerlich, dass diesmal nicht Jürgen Dollase kam, was mir den wundervollen Satz verwehrt: „Dollase und ich waren der Meinung, dass…“, mist). Nein, Herr Platt liefert einen Bericht, der genau das trifft, was an jenem Abend zu dem Menü auch mein Eindruck war. Ich gestatte mir, ihn in Bezug auf den schwächsten der Gänge zu zitieren:

„Über den nächsten Gang kann man mit etwas Lebensmittelhumor lächeln. Ein nach Art der Molekularküche mit Hilfe von Maltodextrin verseiftes Fichten- und Weizenkeimöl liegt in wachsigen Schindeln über dem weich gegarten und erfreulich wenig gesalzenen Romanesco, ohne geschmacklich viel zu bewirken. Ein Fichtenwedel in de Nachbarschaft des Modekohls unterstreicht die Idee.“

Herrlich! Wer braucht noch Jürgen Dollase.

Deutlich ungnädiger urteilt meine eigentlich bevorzugte Berliner Gastro-Gestalt vom Tagesspiegel, Bernd Matthies. Zu einem vegetarischen Gang anmerkt er grantelnd:

„Auch das helle Püree von für Vegetarier, in dem Blumenkohl offenbar eine Hauptrolle spielt, lastet mampfig auf der Zunge wie eine Karikatur aus der Öko-Hasser-Bewegung, von Schnittlauchöl und ein paar gepoppten Amaranth-Körnern kaum merklich akzentuiert.“

Platt nimmt augenzwinkernd den Event-Charakter des Ganzen zur Kenntnis und freut sich über die Idee und den ausbaufähigen Ansatz und attestiert: „Dazu dominiert doch feinfühliges Handwerk eindeutig die Zubereitungen“. Wie ich selbst, so hat er sich an dem Abend bestimmt amüsiert. Auf vielfältige Art und Weise. Matthies wurde womöglich nicht angemessen wahrgenommen  und straft das

Meerrettich-Granité

Meerrettich-Granité

Restaurant ab mit einem Vokabular aus: Hype, Sterneküche zum Billig-Tarif, sieht aus wie der Jugendkeller der St.Florians-Gemeinde mit Sperrmüll. Und: „Ein eloquenter Restaurantchef bespasst Premium-Gäste, während andere schon froh sein können, wenn der indiskutable Service sie nicht beim Wein-Nachschenken mit Wasser aus dem Eiskübel bekleckert.“

Herr Matthies verzieht sich in eine bösartige Schmoll-Ecke und legt bei seinem Besuch zu viel Wert auf die Sterne der Köche in ihrem üblichen Umfeld. Er vergisst dabei, das schräge Event, die spannende Idee und das ordentliche Preis-Leistung-Verhältnis zu genießen. Pret A Diner ist eben nicht Haute Couverture.

Sehen wir es ihm nach. Bereits in einem Vorbericht machte er aus „Klaus Peter Kofler“ einen „Michael Kofler“, der für seine Handbücher im EDV-Bereich höchstes Ansehen genießt. Luxus und Linux ist halt auch zweierlei.

Mein Tipp: Die Homepage des Pret A Diner aktivieren, um einen Platz anfragen und danach hingehen und einen Abend mit jenenm casual fine dining entspannt genießen.

www.pretadiner.com

www.koflerkompanie.com

35 days only...

35 days only...

Tröstlicher Tropfen – S-Bahn Berlin

Abweichende Betriebssituation“ lautet die lyrische Formulierung der S-Bahn Berlin zu dem,  was gerade verkehrstechnisch auf der Schiene läuft/fährt, beziehungsweise nicht läuft/fährt.

Vorsicht bei der Einfahrt?

Vorsicht bei der Einfahrt?

Der Stadtrand ist abgeschnitten. Zurecht, denkt sich bestimmt der Bahn-Vorstand. Wer will schon nach Strausberg-Nord, Spandau, Hennigsdorf oder Wartenberg? Unsere Fahrgäste sind doch eh alles Wut-Bürger, da fällt ein wenig mehr Aufregung gar nicht auf. Sollen die Berliner doch kuschelig zusammen rücken, auf den vereisten Bahnsteigen oder in den verkürzten Zügen.

Der Verkehrsminister? Der ist ja bestimmt nicht nur sauer, der ist sogar Ramsauer! Eine Sprecherin erklärt, er verstehe den Ärger der Fahrgäste! Jawollja. Na, danke. An der neu beschlossenen jährlichen Gewinnabführung der Bahn an den Bund in Höhe von 500 Millionen, sei aber nicht zu rütteln, abweichende Betriebssituation bei der S-Bahn hin oder her. Bekommt Berlin dafür wenigstens beheizte Radwege?

Aber: Wir sind selber schuld! Wir, die Fahrgäste. Unser ruhmreicher Verband, DBV (=Deutscher Bahnkunden Verband), zeichnete den Chef der S-Bahn, Peter Buchner, Anfang Oktober mit dem, vermutlich zurecht unbekannten, Schienenverkehrs Preis 2010 aus. Die überaus traurige Laudatio hält als Höhepunkt für uns die Leistung bereit, Buchner habe sich den Fragen der Fahrgäste gestellt. Bravo. Hoho, wird sich Herr Buchner mit seinem Beraterstab gedacht haben. „Solche Fahrgäste können wir ruhig in der Kälte stehen lassen. Die sind anscheinend so doof, die sagen auch noch „danke schön“. Da erhöhen wir doch gleich noch die (Fahr-?)Preise zum 1. Januar, schließlich verbringen die Leute derzeit ja auch viel mehr Zeit auf unseren Anlagen.

Kurz nach der Preisverleihung wurden kritische Stimmen aus den Reihen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) laut, ob die S-Bahn denn wohl auf den kommenden Winter vernünftig vorbereitet wäre. Empört wies die Bahn zurück: „Die Führung der S-Bahn hat sich gegen Kritik am weiterhin eingeschränkten Zugverkehr verteidigt und Vorwürfe zurückgewiesen, man sei nicht ausreichend auf den nächsten Winter vorbereitet,“ zitiert der Tagesspiegel am 8.10.2010. Unser Herr Buchner setzt noch einen drauf und prescht forsch voran: solche Aussagen hätten „die Kunden unnötig alarmiert“.

Im gleichen Artikel kommt auch unser Regierender Bürgermeister zu Wort, der mit klarem Blick die Situation erfasst und als „hochkomplex und kompliziert“ beschreibt. Trostlos-traurig-faszinierend liest sich jener Tagesspiegel Artikel heute: http://www.tagesspiegel.de/berlin/verkehr/chefs-sehen-s-bahn-fuer-winter-gut-geruestet/1951836.html

Vermutlich ärgert sich Herr Buchner mächtig, dass er es in der legendären Liste zum Jahresende im Stadtmagazin Tip der „Peinlichsten Berliner 2010“ (in der aktuellen Ausgabe!) nur Platz zwei erreicht hat. Im Hintergrund hören wir den DBV bieder dem Platz-Zwo-Preisträger applaudieren.

Welchen tröstlichen Tropfen wähle ich nun, um mit traurigem Trinken dem Tiefpunkt zu trotzen? Erst dachte ich an einen Whisky aus der großartigen „Old Train Line“ Serie von Jack Wiebers, aber der Whisky ist einfach zu edel für diesen Anlass. Nun gibt es stattdessen einen deutschen Jamaica Rum: Robinson 55. Gestrandet auf einer einsamen Bahnstation, harrt Robinson, ob er in der Ferne ein Verkehrsmittel erspäht, welches ihn aus seiner kargen Bahnsteiginsel befreit.

Robinson 55%

Robinson 55%

Ein sehr ordentlicher Rum wie ich finde (zumindest die Abfüllung mit den 55%) für kleines Geld, um die 15 Euro. Erhältlich beispielsweise im Ullrich Supermarkt am Bahnhof Zoo, gleich unter dem S-Bahnsteig…..

Das is ja mal´n Ding!

Schöne Dinge müssen gepflegt werden. Alltagskultur und ihr Design werden mit vorbildlichem Engagement im „Museum der Dinge“, im Werkbund-Archiv in Kreuzberg, seit 35 Jahren aufbewahrt, gepflegt und präsentiert.

Wie eine kleine Zeitreise mutet der Gang durch das Museum an, in dem

Dinge, so weit das Auge reicht

Dinge, so weit das Auge reicht

Flaschen, Sitzmöbel, Zigarettenreklame, Spielzeug und andere Utensilien in den Vitrinen stehen. Man schaut die Exponate der zurückliegenden Jahrzehnte an und stößt irgendwann auf ein Objekt, das zur eigenen Biografie gehört. Kindheitserinnerungen werden geweckt,  das Schmunzeln zu einer vergessenen Episode kommt zwangsläufig ins Gesicht. Weiterlesen

Ich hab´Bock. Und manchmal sogar Doppelbock

Eine zu unrecht immens verkannte Spezialität in Deutschland ist: Bier.

Es stimmt mich traurig, wie nebensächlich und belanglos hierzulande oftmals mit dem anspruchsvollen Produkt umgegangen wird. Das halbherzig-szenige herumwedeln mit einer Flasche Becks oder Astra bedeutet durchaus noch nicht die Krone der Bierkultur.

Bock, Doppelbock und Einbeck

Bock, Doppelbock und Einbeck

Frankenbiere, Kölsch und Alt halten den regionalen Spezialitäten-Charakter noch einigermaßen hoch. Aber welcher Braumeister kümmert sich in Berlin beispielsweise um die regionale Spezialität Berliner Weisse? Welcher Gastwirt der Hauptstadt bietet klassische Saisonbiere wie Märzen, Bock, Doppelbock, Festbier, Eisbier oder Steinweizen an?

Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis die großen Getränkeriesen die individuellen Sorten mehr und mehr einstampfen und uns zu einem einheitlich-gemainstreamten Biergeschmack verdonnern? Wie entrüstet heulte der bundesrepublikanische Bierbauch auf, als bei der Fußball-WM Weiterlesen

Bye, bye Bar Gainsbourg…

Serge Gainsbourg hat einmal einen Song mit Namen „Lunatic Asylum“ geschrieben. Sicher trifft diese Bezeichnung auf die eine oder andere Bar zu. Für die die Bar Gainsbourg heißt es jetzt leider vielmehr: „Hou hou hou cha cha cha du loup“ – Der böse Wolf tanzt den ChaChaCha. Dieses Jahr tanzt der Wolf eher einen Flamenco, denn das benachbarte iberische Restaurant wird die Räumlichkeiten der Bar übernehmen, die eigentlich vom Savignyplatz kaum wegzudenken ist, wo sie seit der Mitte der 1990er Jahre eine bewährte Anlaufstelle für Freunde einer wahren „Bar Américain“ bietet.

Eine schöne Idee hatte seinerzeit Barbetreiber Frido Keiling: Eine Bar als begehbarer Nachruf auf einen Musiker, Trinker, Kettenraucher von Format. Seit 1994 treten Cocktailfreunde in ein kleines Stück Frankreich ein und werden mit hervorragenden Drinks beglückt.

Aus den Boxen klingt die passende Musik, teils von Serge selbst, aber immer mit einem Hauch von Chanson, nichts aufdringliches. Schummeriges Licht um die Tische, etwas heller am Tresen. Die Wände sind teils nackter, grober Backstein, teils mit Bildern dekoriert, die Gainsbourg zeigen und schöne Damen wie Catherine Deneuve und Brigitte Bardot. Haben die seine Lieder nicht auch gesungen?
Musiziert wird regelmäßig auch während der Fete de la Musique, da sind die Darbietungen im Gainsbourg schon absoluter Kult.

Die Drinks waren einmal spitzenklasse. Irgendwann hat man aber aufgehört, den neuesten Trends zu folgen. Es gibt ein Motto, wofür braucht man einen Trend? Weiterlesen

Es bleibt, wie es ist: Immer neu! Tim Raue Restaurant

Was hat sich rings um den Checkpoint Charlie nicht alles verändert, in den vergangenen Jahren. Schauspielschüler in alliierten Uniformen posieren für Touristen vor einem extrem verniedlichenden Grenzhäuschen-Nachbau,

Moderne Eleganz uns Leichtigkeit

Moderne Eleganz uns Leichtigkeit

das Deutsche Currywurstmuseum verwirrt seine Besucher mit kecken Eintrittspreisen. McDonalds lockt die Pubertierenden, die aus dem Mauermuseum gegenüber auf die Straße stürmen und das gute alte Café Adler wurde Opfer der Latte-Macchiatisierung der Hauptstadt.

Aus der Kochstraße wurde zuletzt die Rudi-Dutschke-Straße, was noch immer Scharen ergrauter 68er zum fröhlich-kicherigen Kopfwackeln verleitet. Mit dem Zuzug des Tim Raue Restaurant wird diese Straße nun auf subtile Weise doch wieder zur Kochstraße, auf äußerst schmackhafte Art.

Japanische Pizza

Japanische Pizza

Die unglaublich kreative und überraschende Küche, die Tim Raue aus dem Adlon heraus an den neuen Standort verlagert hat, ist aus dem Ma und dem Uma bekannt. Asiatisch inspiriert, Beilagenminimalismus, höchste Produktqualitäten.

Der Neubeginn in Kreuzberg ist nur Weiterlesen

Die Casa der Fledermaus in Berlin

Wer sich in Berlin für die Fledermaus interessiert, dem fällt meist zuerst die Zitadelle Spandau mit der reichlichen Population in ihrem Fledermauskeller und speziellen Führungen mit den Artenschützern des BAT e.V. ein, die sich um die Fledermaus kümmern, einem hochsozialen, nachtaktiven Tier mit geringer Fortpflanzungsrate.

Oder fühlen wir uns an die fröhliche Techtelmechtel-Operette eines  Johann Strauss erinnert, die zwischen Gefängnismauern und glamourösen Salons Treulose und Zecher behandelt? Aha, wir nähern uns dem Thema.

DIE Fledermaus

DIE Fledermaus

Wer bei Fledermäusen jedoch an eine legendäre Rum-Marke denkt, die von Don Facundo Bacardi 1862 ins Leben gerufen wurde, ist in diesem Artikel auf der richtigen Fährte. Ich hatte das Vergnügen, dem Ruf der Fledermaus in die im szenigen Osten Berlins versteckte „Casa Bacardi“ folgen zu dürfen, wo  Fachpublikum, wie Barkeeper und Eventveranstalter, Einblicke in die Barcardi-Schatztruhe erhalten.

Ich folgte dem Ruf der Fledermaus (Microchiroptera)

und kann nur jedem empfehlen, die Gelegenheit eines Besuchs in der Casa Bacardi zu ergreifen, so sie sich bietet. Es gibt eine Menge zu entdecken und in die Geschichte des Rums einzutauchen, mit all seinen Mythen und Legenden. Für so manche davon zeichnet die Marke mit der Fledermaus verantwortlich.

Unser Gastgeber ist Weiterlesen