Von Ale bis Zwickel – Ergebnis einer Expedition ins Bierreich

„Nur Wasser trinkt der Vierbeiner. Der Mensch, der findet Bier feiner.“ Bemerkte der unvergessene Heinz Erhardt zu Recht, der ja Zuweilen auch gerne für ein Glas Korn zu haben war.

Von Ale bis ZwickelIch bin glücklich, nun endlich das Ergebnis meiner Reise in die Welt des Bieres in Buchform vorlegen zu können. Von Ale bis Zwickel – Das ABC des Bieres lautet der Titel, hinter dem sich 144 Seiten mit Geschichten und Berichten aus Herstellung, Geschichte und Aktualität rings um den genialen Gerstensaft verbergen. Besonderer Schwerpunkt soll dabei auf die Vielfalt der unterschiedlichen Bierstile gelegt werden, die lohnen, wiederentdeckt zu werden. Allzu groß ist die Gefahr, dass immer mehr Brauerein und Biere einem gemeinstreamten Markt zum Opfer fallen, der am Liebsten nur ein einziges lasches, leichtes untergäriges Lagerbier, ohne störende Bitteraromen, vermarkten würde.

Wer kennt noch ein wahres Dortmunder Export? Wer hat schon einmal ein Steinbier genossen? Und wer, ausserhalb der Düsseldorfer Region, weiß, wie ein Altbier wirklich schmecken muss? Dazu kommen die internationalen Trends aus den Ländern, die der tumbe teutonische Trinker überheblich und unrechtmäßig verlacht, wie USA, Dänemark, Japan oder Italien. Dort wird mit spannenden Hopfensorten experimentiert, Bitterales und IPAs erfahren eine starke Nachfrage, Barley Wines und Milk Stouts lohnen durchaus, einmal verkostet zu werden.

Bei den Arbeiten zum Bier-Kapitel in „Berlin schenkt ein“ hatte ich selber mein Aha-Erlebnis zum Thema Bier. Ich stellte fest, wie hoch wir in Deutschland das Reinheitsgebot betonen und Bier als Nationalgetränk lobpreisen (ein Antrag auf Eintrag als Weltkulturerbe läuft derzeit), aber wie wenig wir wirklich darüber wissen und wie belanglos und gleichgültig es oft bestellt wird.

Dazu kam die frustriende Erkenntnis, dass im Land des Reinheitsgebotes Weiterlesen

Plötzlich: Ein Schultheiss aus der Vergangenheit

Neulich konnte ich nachlesen, dass John F. Kennedy unmittelbar vor der Verkündung des Embargos gegen Kuba, sich angeblich von einem Mitarbeiter 1.200 kubanische Zigarren besorgen ließ. Das war sehr schlau und zeigt: Wissen ist Macht.

21 Zacken

21 Zacken

Ich hingegen verpasste stets die Einstellung der vielen Berliner Biermarken, die ich zwar trank, aber nicht horten konnte. Nur in meiner Erinnerung sitze ich noch vor einem wundervollen Patzenhofer, einem Bürgerbräu Bock und einer Schultheiss Berliner Weisse. Bereits diverse Male betrauerte ich (in Foren oder dem Buch „Berlin schenkt ein“) den Verlust der Weisse Tradition in Berlin und das womögliche bevorstehende Verschwinden dieser ursprünglichen Berliner Brautradition. Viele der Kleinbrauereien scheuen zudem die Verwendung der erforderlichen Milchsäurebakterien, deren Rückstände ja andere Bierstile leicht verderben können.

Kürzliche berichtete ich von einer Veranstaltung im BerlinBierShop in Moabit, bei dem Brewbaker und Stone Brewing ihre Biere präsentierten (Arrogantes Bier für Berlin), erwähnte dabei jedoch nicht den Ausklang der schönen Veranstaltung. Jeder Teilnehmer war aufgefordert, ein interessantes Bier beizusteuern, was dann im Anschluss an die Brauerprobe gesellig ausgeschenkt wurde. Unter den belgischen Lambic und Kriek Bieren, hochprozentigen Barley Wines und allerlei (mitunter anstrengenden) Kuriositäten, mutete mein mitgebrachtes englisches Bitter Ale vermutlich eher durchschnittlich an. Mein persönliches Highlight an jenem Abend war dann ein Bier, dessen Existenz ich kaum mehr glauben konnte.

Auf einmal standen da einige Flaschen Schultheiss original Berliner Weisse herum. Das MHD war 2005

Mehr davon !!

Mehr davon !!

erloschen, aber die Weisse ist ja bekanntlich extrem haltbar (was mir einige der anderen Biergesellen glücklicherweise nicht glaubten).

Was für ein Genuss! Kein Vergleich zu dem einzigen noch verbliebenen Gebräu in Berlin, der Kindl Weisse. Letztere ist pur dermassen sauer, dass man sie in doofem Sirup förmlich ertränken muss, um ein halbwegs akzeptables Getränk zu erzielen. Die Schultheiss Weisse kann pur genossen werden, wie es sich gehört(e). Ein spannendes Getränk mit milden und erfrischenden Noten, mit Kräutrigkeit und Zitrusfrische.

Der Gast, der diese Flaschen mitbrachte, war zu diesem späten Zeitpunkt leider bereits entfleucht und so kann ich nur auf diesem Wege von Herzen „DANKE!“ sagen. Danke, für dieses sensorische Erlebnis, das zeigte, was für ein formidables Getränk eine Berliner Weisse darstellt(e) und das bitte, bitte nicht in der derzeitigen Vergessenheit und belanglosen Verpanschtheit verharren darf.

 

Tückisches Trunkenheits Treffen – Biermeile Berlin Teil 2

Teil 2: Was war eher mau und unbefriedigend auf der Berliner Biermeile 2011?  In Teil 1 ging ich ja bereits auf die guten Momente dieser großen Gerstenveranstaltung ein und bekomme jetzt noch Durst, wenn ich an so

Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

manch schönes Gebräu erinnere. Allerdings gab es auch fragwürdige und rätselhafte Begebenheiten, die ich natürlich auch berichten mag.

A) Eine Gruppierung, die zu den frühen Vögeln auf der Veranstaltung zählte, waren die Sammler von Bierdevotionalien. Nun gibt es dabei hochspannende Aspekte, wie beispielsweise historische Bieretiketten als kulturell-künstlerische Zeitreise. (Das Sammeln von diesen Mini-Biertrucks hingegen, leuchtet mir nur mäßig ein, allerdings ist es natürlich sehr preiswert.) Aasgeiergleich kreisten jedoch die Kronkorkensammler über der Biermeile. Grimmig und penetrant belagerten sie die Stände, deren Faßbierausschank jedoch ihre Sammelleidenschaft offensichtlich teilsabotierte. Ewig belagerten sie die Tresen und hielten die Zapfer von wichtigeren Aufgaben ab, um die Herausgabe von gezacktem Metall zu erzwingen. Sehr oft langten sie ungehemmt hinter den Tresen und griffen sich alles, was lose herumlag und erwiesen dem Ruf der ehrenwerten Sammlerschaft damit keinen guten Dienst. Man greift nicht ungefragt hinter einen Tresen!

B) Bitter bereuen musste das Hofbräuhaus Traunstein eine sehr überflüssige flüssige Aktion. Man hatte anscheinend das eigentliche Thema des Bierfestes missverstanden, dafür aber wohl ein Sonderangebot von Erdbeeren abgestaubt. Flugs panschte man eine fröhliche Erdbeerbowle zusammen, die dann vorportioniert in Bechern auf dem Tresen herumstand. So erfuhr das unbedarfte Personal des Traunsteiner

Stimmungsvolle Dekoration?

Stimmungsvolle Dekoration?

Höfbräus aus erster Hand, dass die Berliner Wespen Weiterlesen

Arrogantes Bier für Berlin

Biertechnisch geschieht gerade so manches, was Lust auf mehr macht. Besonders die Moabiter dürfen sich gewaltig freuen über die Entwicklungen der letzten Monate. Einerseits zog der Brewbaker in die Arminius-Markthalle und braut dort köstliche Spezialitäten, weiterhin steht bei Getränke Töpper (Bugenhagen- Ecke Bredowstraße) einen Steinwurf von der Halle entfernt, eine anständige Auswahl an Bierspezialitäten aus Belgien, England und Deutschland parat.

Vor allem aber in der Kirchstraße hat Bier ein neues Zuhause bei Rainer Wallisser gefunden. Hier wird der Betreiber von „Wein Kultur“ seinem Geschäftsnamen allmählich untreu, indem er mit dem Berlin Bier Shop dort eine wachsende Auswahl rarer Bierspezialitäten anbietet. Besonders die Freunde von aromatisch und bitter gehopften Bieren kommen dort voll auf ihre Kosten. Neben bewährten Klassikern, beispielsweise aus dem Hause Fuller´s, gibt es die eher seltenen Produkte von Brew Dog, Fritzale, Anchor Steam und allerhand aus Belgien. So manche Spezialität führt den Bier-Gaumen zu hopfentechnischen Grenzerfahrungen, wie beispielsweise das dänische „First Frontier IPA“.

Vertreibt Bier Dämonen?

Vertreibt Bier Dämonen?

Ein Brauunternehmen, das ebenfalls die hopfenintensive Philosophie des Bieres pflegt und forciert, war im Juli zu Gast bei Rainer Wallisser: Stone Brewing Co. aus Escondido, California.

Der Abend begann mit einer Verkostung der Brewbaker Biere. Braumeister Michael Schwab kam persönlich vorbei, um zu der international besetzten Verkostungsrunde zu stoßen und brachte einige seiner aktuellen Biere, wie auch einige Prototypen der Zukunft zum probieren mit (ich freue mich bereits auf einen Gerstensaft, der unter dem Arbeitstitel „Olivia“ auftrat und ganz vorzüglich schmeckte).

Den zweiten Teil des Abends bestritt Weiterlesen

Alles neu macht der Juli!?

So, endlich kommt wieder Leben in die Bude.

Im Eichi Blog war es in den vergangenen Wochen eher ruhig. Zu ruhig. Das wird sich jetzt wieder ändern.

Was habe ich in der Zwischenzeit getrieben? Natürlich habe ich das üblich nutzlose Wissen angesammelt und erfahren, dass der Slogan „Yes we can“ eigentlich von Bob dem Baumeister stammt, dass jeder sechste Internist in Deutschland schon einmal von einem Patienten verprügelt wurde und dass Eichhörnchen auf Litauisch Wowereit heißt.

Gefunden hinterm Kino Babylon in Mitte

Gefunden hinterm Kino Babylon in Mitte

Wenn es im Blog still ist, dann schreibt Eichi meist an anderen Projekten. Gut möglich, dass das Thema Bier hier in der nächsten Zeit ein wenig mehr Raum einnimmt, denn in den vergangenen Monaten habe ich mich aufopferungsvoll durch allerlei Gerstensäfte getrunken, woraus nun tatsächlich zum Herbst ein Buch wird. Bier kann ein wirkliches Vergnügen sein und wenn wir Glück haben, wird Deutschland und auch Berlin künftig die Gelegenheit haben, besser und interessanter zu trinken, als bisher. Wer beispielsweise in der Arminiushalle in Moabit zum „Brewbaker“ geht, oder am Alexanderplatz im Kaufhof die Biere am „Braufactum“-Stand probiert, ist im Bilde.

Ansonsten habe ich hier im Blog erstmal frisch begonnen, indem ich meine Favoriten-Empfehlungen überdacht und überarbeitet habe (angeregt durch die Frage von dondecomer nach dem Mao Thai). Man merkt doch, wie schnell es mit der Gastronomie oft geht. Wie schade, wie schnell so manche Neueröffnung abbaut. Und wie großartig, wenn Beständigkeit auf Dauer hervorragenden Genuss garantiert.

Hier die Ergebnisse meiner Überarbeitung (die Neuzugänge sind fett markiert):

Das Noodles & Figli ist aus der Empfehlungsliste geflogen. Unverständlicherweise hat sich das großartige Betreiberpaar von der Spree an die Isar begeben. Ein Entschluss, der maximal aus bierrelevanter Hinsicht nachvollziehbar ist. Sehr schade, dass es auch das L´Ulivo di Elio im Bergmannkiez nicht mehr gibt.

Das Uma ist nach dem Weggang von Tim Raue nach wie vor eine solide Adresse mit inspirierter Küche in sehr besonderem Ambiente. Die benachbarte Shochu Bar scheint sich hingegen auf einem absteigenden Ast zu befinden. Zu filigranen Sake Grundgedanken wird nun polterig Berlinert. Das passt nicht so recht.

Dafür sorgt der neue Barchef, Herr Heißen, im Curtain Club im Ritz Carlton Hotel dafür, dass diese Bar wieder uneingeschränkt unter meinen Empfehlungen aufgelistet wird. Etwas unschlüssig bin ich noch bei der neuen Catwalk Bar im benachbarten Marriott. Sehr interessante Drinks, aber mehr Schatten als Licht beim Service-Personal.

Dann lieber demnächst wieder öfter zu Beckett´s Kopf. Was hier in die Gläser kommt, ist allerfeinste Mix-Kultur. Jedes Detail ist perfekt. Das Glas, das Eis und besonders diese fantastische Minze. Unbedingt einen Julep probieren! Und der Cognac-Sazerac ist für mich der beste der Stadt. Neuerdings überrascht Oliver Ebert durch die Verwendung von Arrak aus Indonesien als basis-Spirituose. Faszinierend.

Mein definitiver Lieblings-Japaner läßt mich regelmäßig nach Steglitz pilgern, wo das Udagawa ein unschlagbares traditionelles Sukiyaki bereitet. Die Konstante Qualität des Daitokai im Europa-Center macht sich derzeit dadurch bemerkbar, dass dort der 30. Geburtstag gefeiert wird. Leider sind die Preise am Abend doch sehr hoch, aber der Mittagstisch lohnt sich immer. Zum Jubiläum bietet dieses japanische Restaurant bis Ende August zudem ein recht lohnendes Geburtstags-Menü an.

Mit dem Kuchi (vor allem der Filiale in Charlottenburg) hält ein alter Klassiker Wiedereinzug in die Bestenliste. Die durchgearbeiteten Nächte der letzten Wochen haben deren Sushi und den Lieferdienst wieder extrem schätzen gelernt. Auf der Kippe steht gerade Mr. Hai Kabuki. Eine Unsitte greift derzeit in etlichen Restaurants um sich, die ich hier eigentlich nicht erwartet hätte. In letzter Zeit ist es mir öfters wiederfahren, dass ein Getränk oder ein Teller angeboten wird, bei dem der Gast den Eindruck bekommt, es handele sich dabei um eine freundliche Geste des Hauses. Die Geste findet sich dann anschliessend eher unfreundlich auf der Rechnung wieder. Bei Mr. Hai waren dies dann knappe 30.- Euronen. Eine Mail-Anfrage dazu blieb unbeantwortet. Allein aus nostalgischen Gründen steht diese Sushi Bar noch in der Bestenliste, das Sushi ist ja nach wie vor gut. Auf einen Besuch dort habe ich aktuell aber keine Lust.

Bei einem meiner China-Favoriten, dem Good Friends, schliesst die Küche jetzt eine Stunde früher, nämlich schon um 01.00 Uhr. Plötzlich merke ich, wie entscheidend diese Stunde zwischen ein und zwei Uhr Nachts für hungrige Nachtschwärmer doch sein kann. Den Ernst der Lage habe ich dem Herrn des Hauses dargelegt. Er versprach halbherzig, die Öffnungszeiten zu überdenken. Nun gut, eine Ecke weiter kocht das Aroma bis nachts um drei Uhr ebenfalls sehr gute kantonesische Küche. Dann geht es hungrig nächstens nächtens halt dorthin.

Zwei Orte schaffen es derzeit, mich jedes Mal mehr als glücklich zu machen, weswegen ich an dieser Stelle noch einmal ganz explizit das Dos Palillos mit seinen asiatischen Tapas loben möchte. Neu gibt es jetzt das Menü Tres Palillos, mit 20 umwerfenden Gängen. Und am Südstern das famose Noi Quattro, wenn es um frische und sehr inspirierte italienische Küche geht. Immer mit der Qual der Wahl zwischen den bewährten Klassikern und dem Überraschungsmenü.

Für Pizzafreunde kommt eine neue Adresse in die Liste, nämlich das Restaurant Paul am Kurfürstendamm. Zuweilen lese ich Beschwerden über das Servicepersonal, die ich keineswegs bestätigen kann. Freundlich und engagiert werde ich beraten und bekomme eine der besten Pizzen des Kontinents.

So, nun bekomme ich wieder Bierdurst und erwäge einen Besuch in der famosen Kneipe Goldesel in Charlottenburg, wo das Motto lautet: Stullen, Bier und Rock´n´Roll. Zu den leckeren Stullen werden 18 Biere angeboten. Darunter Köstlichkeiten wie Tegernseer Spezial und Hell, Aventinus Weizenbock, Andechser, Reissdorf Kölsch, Schlappe Seppel und – vor allem – das geniale Unertl Weißbier!

So. Jetzt aber Prost! Und bis bald!!

Ich hab´Bock. Und manchmal sogar Doppelbock

Eine zu unrecht immens verkannte Spezialität in Deutschland ist: Bier.

Es stimmt mich traurig, wie nebensächlich und belanglos hierzulande oftmals mit dem anspruchsvollen Produkt umgegangen wird. Das halbherzig-szenige herumwedeln mit einer Flasche Becks oder Astra bedeutet durchaus noch nicht die Krone der Bierkultur.

Bock, Doppelbock und Einbeck

Bock, Doppelbock und Einbeck

Frankenbiere, Kölsch und Alt halten den regionalen Spezialitäten-Charakter noch einigermaßen hoch. Aber welcher Braumeister kümmert sich in Berlin beispielsweise um die regionale Spezialität Berliner Weisse? Welcher Gastwirt der Hauptstadt bietet klassische Saisonbiere wie Märzen, Bock, Doppelbock, Festbier, Eisbier oder Steinweizen an?

Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis die großen Getränkeriesen die individuellen Sorten mehr und mehr einstampfen und uns zu einem einheitlich-gemainstreamten Biergeschmack verdonnern? Wie entrüstet heulte der bundesrepublikanische Bierbauch auf, als bei der Fußball-WM Weiterlesen

Brote, Biere & Buletten

Es sind tatsächlich schon 30 Jahre, dass das BioBackHaus von Hans Leib die Berliner mit feinem Brot versorgt, dessen Geschmack, Zutaten und Qualität keinem Sandalen-Strickpulli-Öko-Dogma folgen, sondern die einfach chemiefrei, nah an der Natur und am Ende vor allem lecker sein sollen.

Eine Zeitspanne von 30 Jahren Backhandwerk beweisen nur allzu deutlich, dass das Grundbedürfnis nach gutem Brot mit diesem Sortiment vortrefflich bedient wird. Viel zu oft dürfen sich in Berlin grauenvolle Aufbackstuben mit dem Begriff „Bäckerei“ schmücken, mit dem sie so gar nichts mehr zu tun haben. Da wundert es kaum, dass der Bundespräsident sein Brot für Schloss Bellevue eigens aus dem fernen Hannover importieren lässt. Bald läuft der Vertrag jedoch aus und dann kommt zwangsläufig das BioBackHaus wieder ins Gespräch.

Rechts im Bild Hans Leib, daneben der Vortragende

Rechts im Bild Hans Leib, daneben der Vortragende

Zahlreiche Veranstaltungen begleiten das Jubiläumsjahr 2010 und so wurden beispielsweise im April  30 Meter Brot gebacken, dessen Kauf dem Kinderträume e.V. zu gute kam, der hilft,  lebensbedrohlich erkrankten Kindern einen Traum zu erfüllen. Im Juni ermöglichte der Tag der offenen Tür einen Einblick in die Hauptbäckerei in Falkensee. Im Herbst hatte ich selbst das Vergnügen, einen Beitrag zum Jubiläum bei zusteuern und durfte im Café des Stammhauses in Wilmersdorf den Vortrag „Brote, Biere und Buletten – Geschichten zur Versorgung hungriger Berliner“ halten. Weiterlesen

Bye, bye, Bürgerbräu…

„Keinen Tropfen im Becher mehr…“ beginnt das Lied „Die Lindenwirtin“ von Rudolf Baumbach.

Die Bürgerbräu-Wirtin vom Müggelsee scheint ebenfalls dieser Ansicht zu sein. Vorbei ist´s mit der langjährigen Geschichte einer weiteren Berliner Bier-Traditionsmarke (die 1869 unter dem Namen Lindenbrauerei gegründet wurde). Die letzte größere Brauerei, die noch in Privatbesitz befindlich war, ist verkauft. Ausgerechnet an die Radeberger Gruppe. Offizielle Übernahme erfolgt zum 1. März 2010.

Die Tradition des Bieres in Berlin ist dahin. Vor 100 Jahren war die Zahl der Brauereien noch dreistellig. Jetzt ist aus Vielfalt endgültig Einfalt geworden. Die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger Gruppe übernimmt die Markenrechte von Bürgerbräu und deren Rezepturen.

Sonderlich originell ist diese Entwicklung nicht. Gehört dieser Gruppe doch bereits die komplette Bierlandschaft der Region: Berliner Kindl, Berliner Pilsner, Rex Pils, Schultheiss, Engelhardt und Märkischer Landmann. Nach jeder Übernahme wurde etwas eingestampft und das Angebot noch weiter reduziert. Viele vermissen Biere wie das Patzenhofer oder die Schultheiss Berliner Weisse. Vermutlich hat dann auch bald das Rotkehlchen ausgezwitschert und das Bernauer Schwarzbier ist Schaum von Gestern.

Tina Häring, die Geschäftsführerin von Bürgerbräu in Friedrichshagen gibt an, demnächst ein Öko-Bier unter der Marke „Köpenicker Bürgerbräu“ anbieten zu wollen. Soll man das glauben? Funktionieren die Kessel überhaupt noch? Kam doch zuletzt das Berliner Bürgerbräu aus Chemnitz. Seit mindestens zweieinhalb Jahren steht auf der Homepage von Bürgerbräu: „Die Seiten der Berliner Bürgerbräu werden überarbeitet.“ Jetzt stimmt das wohl endlich.

Zahlreiche Medien haben bezüglich der Übernahme weitestgehend den üblichen larifari Pressetext übernommen und dahergeleiert. Die Autoren Honert und Hoffmann haben für den Tagesspiegel in ihrem lesenswerten Artikel zurecht etwas kritischere Töne angeschlagen.

Mein Vorschlag: Zeichen setzen gegen den Bier-Einheitsbrei aus Hohenschönhausen. Auf in die kleinen Hausbrauereien, deren Angebot bald der letzte Zufluchtsort für die Liebhaber und Sympathisanten der Berliner Bierkultur sein dürfte. Eilig ins Eschenbräu, hurtig ins Hops&Barley, schnell zum Südstern, marsch ins Marcus Bräu und ran an den Rollberg.

Also, Lindenwirtin, mach den Becher bitte wieder voll! Dann kann das Lied zurecht zu Ende gesungen werden: „Vor ihm stand ein volles Glas,
neben ihm Frau Wirtin saß. Unter der blühenden Linde.“

Narkose Stübchen (Schöneberg)

Schankstelle für fortgeschrittene Schluckspechte im Schatten des Schöneberger Rathauses.

Auch Willy Brandt soll seinerzeit ab und an hereingeschaut haben. Brave Sängerknaben bestellen sich besser gegenüber bei Dolce Pizza eine Bionade und halten sich fern von den Abgründen dieser gestandenen Institution des Hochprozentigen.

Narkose StübchenZuständig für die im Namen versprochene Anästhesie ist Wirt Dieter. Sorgfältig zapft er das Berliner Kindl, empfiehlt aber gerne und überzeugend den einen und anderen und x-ten Probierschluck aus seinem umfangreichen Spirituosensortiment.

Die Stammgäste machen sich auf den Hockern am Tresenbereich breit (im wahrsten Sinne) und blockieren (vermutlich absichtlich) den Weg durch den schmalen Schankraum in den winzigen hinteren Sitzbereich. Neuankömmlinge werden mit prüfenden, glasigen Blicken taxiert. Nein, das ist kein Widerspruch.

Im Sommer steigt die Stimmung und ein wesentlicher Anteil des Schanktreibens verlagert sich auf den Gehweg vor dem Lokal. Die Fensterluke zur Straße wird geöffnet. An der Durchreiche ist ein schmales Brett montiert. Breit genug, um darauf die gewünschten Schnapsstumpen zu plazieren.

Vermutlich unnötig, dies zu erwähnen, aber: Das Narkosestübchen ist ein Raucherlokal.

Belziger Straße 73, 10823 Berlin

Blind Tiger (New York)

28 Biere vom Fass. Ist das nix? Kleinlaut muss ich gestehen, nicht alle probiert zu haben. Dazu kommen immerhin noch über 50 Flaschenbiere und Spezialitäten/Raritäten, wie blutiges Bier – eine Bloody Mary Variante mit….Bier, eben. Starkes Ale in einem Pint-Glas!

pa160253Es gab eine Zeit in den Staaten, in der der Alkoholkonsum erschwert wurde, noch vor der Prohibition. Sonntags durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden, denn die Menschen sollten in die Kirche. Ausnahmen wurden nur für kulturelle und Bildungsveranstaltungen genehmigt.
Schlaue Wirte kulturveranstalteten daraufhin die Ausstellung vom „Blinden Tiger“, der für den Konsum von drei Drinks zu besichtigen sei. Diesen Code nutzt das Bierlokal als Namen.

Gemütlich hockt man auf Schemeln am Tresen oder am Fenster und ist pa160258beeindruckt von der Batterie von Zapfhebeln, die den langen Tresen entlanglaufen. Ein Anblick, der durstig macht.

Für die hungrigen gibt es Käseplatten von Murray´s, der ein paar Schritte die Bleecker Street hinunter seinen legendären Käseladen betreibt.

Einmal in der Woche gibt es, auch heute noch, kulturelle Veranstaltungen rund um´s Bier. Auch Sonntags, Amen!

Bleecker Street 281, 10014 New York

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