Der Barkeeper im Sozialismus

Wir mixen! So lautet der Titel und somit die beinahe trotzige Aufforderung des Cocktailbuches der DDR.

Udo Henseler und Bernhard Weichsel heißen die Autoren des Werkes, das 1958 erstmals im Fachbuchverlag Leipzig (kurz darauf VEB Fachbuchverlag Leipzig) erschien. Es sollten etliche weitere Auflagen folgen. Die letzte, die in meine Hände geriet, ist die 19. Auflage von 1985.

Wir mixen uns durch zahlreiche Auflagen

Wir mixen uns durch zahlreiche Auflagen

Diese Buch ist ein Stück Kulturgeschichte der DDR, vor allem wenn man genauer hinsieht, wie sich das Buch durch die Jahre verändert hat. Und auch, was sich nie verändert hat. Elf der Auflagen konnte ich mir ansehen und durfte einige faszinierende Details dabei entdecken.

Die frühen Auflagen der 1950-er Jahre gehen entspannt und unpolitisch an das Thema Mischgetränke heran. Selbstverständlich wird oftmals versucht, englischsprachige Begriffe zu vermeiden („Für die Herstellung von Mischgetränken ist der Schüttelbecher von besonderer Bedeutung“), aber wie soll das beim Thema Hahnenschwanz dauerhaft funktionieren?

Man lernt: Mysteriöse Pantschereien sind verpönt, die Milchbar genießt hohes Ansehen und sauberes Arbeiten wird dringend angemahnt. Die frühen Ausgaben verfügen am Ende des Buches zudem über Weiterlesen

Bye, bye Bar Gainsbourg…

Serge Gainsbourg hat einmal einen Song mit Namen „Lunatic Asylum“ geschrieben. Sicher trifft diese Bezeichnung auf die eine oder andere Bar zu. Für die die Bar Gainsbourg heißt es jetzt leider vielmehr: „Hou hou hou cha cha cha du loup“ – Der böse Wolf tanzt den ChaChaCha. Dieses Jahr tanzt der Wolf eher einen Flamenco, denn das benachbarte iberische Restaurant wird die Räumlichkeiten der Bar übernehmen, die eigentlich vom Savignyplatz kaum wegzudenken ist, wo sie seit der Mitte der 1990er Jahre eine bewährte Anlaufstelle für Freunde einer wahren „Bar Américain“ bietet.

Eine schöne Idee hatte seinerzeit Barbetreiber Frido Keiling: Eine Bar als begehbarer Nachruf auf einen Musiker, Trinker, Kettenraucher von Format. Seit 1994 treten Cocktailfreunde in ein kleines Stück Frankreich ein und werden mit hervorragenden Drinks beglückt.

Aus den Boxen klingt die passende Musik, teils von Serge selbst, aber immer mit einem Hauch von Chanson, nichts aufdringliches. Schummeriges Licht um die Tische, etwas heller am Tresen. Die Wände sind teils nackter, grober Backstein, teils mit Bildern dekoriert, die Gainsbourg zeigen und schöne Damen wie Catherine Deneuve und Brigitte Bardot. Haben die seine Lieder nicht auch gesungen?
Musiziert wird regelmäßig auch während der Fete de la Musique, da sind die Darbietungen im Gainsbourg schon absoluter Kult.

Die Drinks waren einmal spitzenklasse. Irgendwann hat man aber aufgehört, den neuesten Trends zu folgen. Es gibt ein Motto, wofür braucht man einen Trend? Weiterlesen

Die Casa der Fledermaus in Berlin

Wer sich in Berlin für die Fledermaus interessiert, dem fällt meist zuerst die Zitadelle Spandau mit der reichlichen Population in ihrem Fledermauskeller und speziellen Führungen mit den Artenschützern des BAT e.V. ein, die sich um die Fledermaus kümmern, einem hochsozialen, nachtaktiven Tier mit geringer Fortpflanzungsrate.

Oder fühlen wir uns an die fröhliche Techtelmechtel-Operette eines  Johann Strauss erinnert, die zwischen Gefängnismauern und glamourösen Salons Treulose und Zecher behandelt? Aha, wir nähern uns dem Thema.

DIE Fledermaus

DIE Fledermaus

Wer bei Fledermäusen jedoch an eine legendäre Rum-Marke denkt, die von Don Facundo Bacardi 1862 ins Leben gerufen wurde, ist in diesem Artikel auf der richtigen Fährte. Ich hatte das Vergnügen, dem Ruf der Fledermaus in die im szenigen Osten Berlins versteckte „Casa Bacardi“ folgen zu dürfen, wo  Fachpublikum, wie Barkeeper und Eventveranstalter, Einblicke in die Barcardi-Schatztruhe erhalten.

Ich folgte dem Ruf der Fledermaus (Microchiroptera)

und kann nur jedem empfehlen, die Gelegenheit eines Besuchs in der Casa Bacardi zu ergreifen, so sie sich bietet. Es gibt eine Menge zu entdecken und in die Geschichte des Rums einzutauchen, mit all seinen Mythen und Legenden. Für so manche davon zeichnet die Marke mit der Fledermaus verantwortlich.

Unser Gastgeber ist Weiterlesen

Bar Convent Berlin – BCB 2010

Der Postbahnhof am Ostbahnhof stellte auch in diesem Jahr wieder die Bühne für ein grandioses Treffen der Barkultur. Die Damen und Herren von Mixology stellten erneut ein umfangreiches Programm zusammen und konnten Barprominenz und Experten aus aller Welt gewinnen, um Fachwissen zu verbreiten, Produktneuheiten zu präsentieren,  fachzusimpeln und netzzuwerken, schöne Drinks zu bereiten und Durchhaltevermögen zu beweisen.

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Was gefiel mir besonders? Oder auch nicht?!

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Connaught Bar, Mayfair

Für Martini-Liebhaber bleibt London die Metropole Number One. Ein weiterer Ort großartiger Trinkkultur versteckt sich im eleganten Connaught Hotel in Mayfair.

Bei Hotelbars in Deutschland bin ich extrem skeptisch und kann zuweilen von unsäglichen Drinks, mittelmäßig geschultem Personal und ratlosem gepansche berichten. London will mich eines Besseren belehren? Pah! Was gebe ich auf Titel und Auszeichnungen wie beispielsweise: Diageo Reserve World Class Bartender of the Year 2010; World’s Best Hotel Bar 2010; International Bartender of the Year 2010? Ich weiß nicht recht….

mondäne Klassik trifft nacktes Eisen

mondäne Klassik trifft nacktes Eisen

Barchef (bzw. Bar Head Mixologist) Agostino Perrone kümmere sich um unser Wohl an jenem Abend. Und er tat dies großartig. Es gibt zwei Bars in diesem Hotel. Eine sehr klassisch-konservative und diese hier, die ein faszinierendes Design aufweist, in einer Kombination aus British Club und Industrial, klassische Ledersessel und kunstvolle Stahlrohre.

Als erstes erhält jeder Gast einen „Gruß von der Bar“. Amüsante Grüße aus Küchen sind bekannt, der Gruß der Bar, hier in Form eines Mini-Cocktails in einen sehr schlanken hohen Gläschen,  war mir neu. Weiterlesen

Merkwürdige Britische Bar

Ein Speakeasy war das nicht. Scheint sich herumgesprochen zu haben, diese Location in London. Der Reiseführer versprach Trunkenheit nach ungemeiner Vielfalt, Auswahl an Kultur und Trinkgefäße aus mehreren Jahrtausenden.

Reading Room – sie sagten mir, Dichter, Musiker und Revolutionäre hätten sich hier berauscht. Enlightenment Gallery – sie versprechen Erleuchtung. Dann kann es sich doch nur um Rum handeln!

Bedrohliche Türsteher:

blieben erstaunlich friedlich und gewährten Einlass.

Ich bin durstig und möchte etwas bestellen. Wo ist das Bar Menu? Anscheinend ist nur ein Exemplar vorhanden, alle fragen nach der Karte von Rosetta, oder so ähnlich. Begehrte Kellnerin, anscheinend. Das Gedränge ist gewaltig, man reicht mir Weiterlesen

Fürstliche Martinis in London

…in einer Bar ohne Shaker. Für diesen Martini wäre ich beinahe gejoggt. Andererseits kann man auch ganz lässig in die merkwürdige Sackgasse am St. Jame´s Place schlendern, an deren Ende das kleine Dukes Hotel durch eine gigantische Union Jack Fahne markiert wird.

Streng blicken die Dukes von den Wänden

Streng blicken die Dukes von den Wänden

Die Bar öffnet um 14 Uhr (spätestens). Der Raum der Dukes Bar im ersten Stock vibriert nur so vor Mythen und Legenden. Ist dem Stammgast Ian Fleming tatsächlich genau hier der Satz eingefallen: „Geschüttelt, nicht gerührt!“? Wird dem Gast tatsächlich ein dritter Martini verweigert? Gehört eine Zitronen- oder doch eine Orangenzeste in den Vesper Martini? Es ist mir egal.

Ich lasse mich von plüschigen blauen Sesseln verschlucken, tauche ein in etwas, was nur der Begriff „sophisticated“ treffend beschreibt und würde jede(n) umbringen, der an diesem Ort ein Mobiltelefon zückt.

Wer hier sitzt, ist wegen eines Martini Cocktails gekommen. Die Karte verzeichnet einige sehr interessante Variationen des Klassikers (wie der Wildflower Martini mit Holunder und Chili), aber der Drink, der ganz oben auf der Seite steht, der Drink für den ich mich her begeben habe, ist der „Ian

Ins Glas getan, nicht gerührt...

Ins Glas getan, nicht gerührt…

Fleming´s Classic Vesper“. Polnischer Vodka, hochprozentiger Gin und Lillet Vermouth. Die ursprüngliche Rezeptur enthielt „Kina Lillet“, der dunkler und wohl weniger süß war. Den es heute aber nicht mehr gibt (außer man gehört zu den Glücklichen, die in der Berliner Triobar verkehren), daher gibt der Bartender einen Schuss Angostura Bitters in das Glas.

Apropos Glas! Auf einen Shaker wird verzichtet. Ein Wagen mit den Mixzutaten gleitet geschmeidig zum Tisch des Gastes. Die Spirituosen werden bei ca. minus 17 Grad aufbewahrt. Ein Schütteln, ein Rühren ist nicht notwendig. Die Zubereitung erfolgt im Glas. Eine Freude, zuzusehen bei den eleganten Handgriffen des Barmannes.

Unter uns: Ein Shaker steht durchaus am Bartresen bereit (poliertes Sterling-Silber würde nicht überraschen), aber während meines Verweilens in der Duke Bar habe ich keinen einzigen Eiswürfeln klackern gehört. Die Gäste kommen für einen Martini. Aber das sagte ich bereits.

Potacki Vodka, Beefeater Gin, Lillet Blanc, Angostura, Eichi

Potacki Vodka, Beefeater Gin, Lillet Blanc, Orangenzeste, Angostura, Eichi

Dukes Bar at Dukes Hotel, St. Jame´s Lace, London, SW1A 1 NY

www.dukeshotel.com

Barkeeper sind absolut überflüssig…

…meint zumindest „Onkel Reinhold“ aus dem Ruhrgebiet. Genau genommen aus der „Kulturhauptstadt“ Essen. Wie der Name schon sagt, hat Essen anscheinend mit Trinken nicht viel am Hut, daher dürfen die Cocktails dort auch gerne vorprogrammiert aus dem Automaten plätschern.

Im Kürze befüllt geschultes Barpersonal die Gläser (und zwar alle)

Im Kürze befüllt geschultes Barpersonal die Gläser (und zwar alle)

Nein, lauscht nicht meinem pessimistischem ge-unke. Bestimmt kommen vorzügliche Elixiere aus jenem illuminiertem Würfel getropft, dem die Macher desselben den, wie sie meinen, unglaublich genialen Namen The Qube gegeben haben. Meine eigenen Worte vermögen niemals an den lyrischen Klang des Promotion-Textes heran zu reichen, daher lasse ich diese Leute selbst zu Wort kommen, die listig-verschmitzt erklären:

COOL oder QOOL ?
Zugegeben, das neudeutsche Wort Cool mit Q zu schreiben ist sehr außergewöhnlich!

Das ist genau der Grund, aus dem wir uns dafür entschieden haben. THE QUBE ist nicht nur außergewöhnlich, sondern sieht auch noch so aus. Durch den Einsatz von THE QUBE heben Sie sich von der Masse ab.

Spricht Onkel Reinhold selbst zu uns, den unbedarften und bislang mächtig un-qoolen? Oder sind es die Praktikanten der zu Recht wenigst beachteten Werbeagentur diesseits des Mekong, die uns schelmisch-perfide mit einkommenstechnischen Vergleichen Ködern möchten, indem sie verraten: Weiterlesen

Kryptische Cocktails von 1927

Ein unglaubliches Stück Glück! Hurra!

Eine wunderbare Zufallsgabe schwebte unerwartet in mein trautes Heim hinein. Einige werden es wissen, meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir hauptsächlich durch merkwürdige Stadtführungen durch Berlin, wozu auch meine diversen Kriminalführungen zählen.

Kürzlich erwarb ich daher ein Konvolut mehrerer kriminalhistorischer Bücher aus den USA, die sich mit Prohibition, Al Capone, John Dillinger, New York und Chicago befassten. Der Verkäufer schien erfreut ob meines Kaufs

Here´s How!

Here´s How!

und steckte zusätzlich eine winzige Überraschung in das Paket, die ich fast übersehen hätte. Während der Transaktion hatten wir munter gemailt und meine Cocktailleidenschaft kam dabei zur Sprache, weswegen er mir augenzwinkernd eine fantastische Gabe beifügte: Ein Cocktailbuch von 1927, mitten aus der Prohibition, der strengen Phase des Alkoholverbots.

Veröffentlicht wurde es in New York in winzigem Format mit 62 Seiten, passend für jede kleinste Tasche. „Here´s How!“ lautet der Titel. Der Autor nennt sich „Judge Jr.“ Vierte Auflage!

Sein Vorwort erklärt, dass er ohne die Prohibition wohl nie auf die Idee gekommen wäre, einen Drink zu nehmen, auch wenn Weiterlesen