Jut jejodelt? Hauptstadt Hofbräu

Derzeit scheint Berlin ein einziger chaotischer Kleiderschrank zu sein. Vermutlich völlig unpassend zur aktuellen Bekleidungsumtriebigkeit mit der Modemessenmischpoke mittagass ich im Hofbräu inmitten der lederbehosten und bedirndlten Service-Brigade.

Der Bau am Alexanderplatz war zu DDR-Zeiten ein riesige Zentralkantine für die umliegenden Büros, genannt „Fresswürfel“. Heute bietet der Bau noch immer reichlich Raum und somit Platz für ca. 1.600 Gäste auf zwei Etagen. Auffangpotenzial für etliche Busladungen von Touristen, denen es womöglich egal ist, in welchem Teil Deutschlands sie mit Gamsbart und Blasmusik in Berührung kommen.

Es kann nur einen geben. Daher darf das Hofbräu Berlin nicht als Hofbräuhaus in Erscheinung treten. Da zeigt sich das bajuwarische Stammhaus unnachgiebig. Am Ende mag man sich wohl doch abgrenzen von dem Gebaren nördlich des Weißwurstäquators, wo nun mal „Watt willste?“ statt „Wos wuist?“ gesprochen wird.

Gleich gibts was auf den Deckel

Mit großen Vorurteilen behaftet wagte ich mich in die Höhle des Aloisius, jenes Dienstmanns auf der Wolke, der tatsächlich das Geschehen im Inneren überblickt. Die Furcht basierte auf diversen ungnädigen Berichten, aber auch auf Ankündigungen, die die Anwesenheit von Antonia aus Tirol, Weiterlesen

Currywurst und Molle reloaded. Das Meisterstück am Hausvogteiplatz

„Bitte ein Bier!“ Diese undifferenzierte Bestellung wird im frisch eröfneteten Restaurant Das Meisterstück glücklicherweise nicht allzu oft zu hören sein.

Schneider Tap X Nelson SauvinIn den Räumlichkeiten am Hausvogteiplatz, die zuletzt die Ausstellung des Fördervereins Stadtschloss beherbergte, hat das alte Preußen ausgedient und wird ersetzt durch das Konzept: Brot & Strich, Brat & Wurst, Craft & Bier. Ausgewählte Meister ihres Fachs liefern die Produkte für Teller, Glas und Wand. Eben Brot, Wurst, Bier und Kuckucksuhr.

Eine originelle und zugleich Bodenständige Auswahl der Speisen ergänzt eine eigene Bierkarte, die ca. 70 besondere Biere aus aller Welt listet. Den Kern des Bierangebotes stellt das Sortiment von Braufactum, die in Deutschland einige spannende Biere selbst herstellen und aus Italien, USA, Belgien und Großbritannien importieren. Dazu gesellen sich weitere Exklusive Gerstensäfte, wie belgische Klosterbiere oder das bemerkenswerte Fritz Ale aus Bonn, aber auch besondere hauptstädtische Kreationen von Brewbaker aus Moabit.

Die Gestaltung der Räumlichkeiten verdient Beachtung. Das Restaurant ist sehr groß und dennoch gelang eine hübsche Aufteilung, die einen hallenartigen Groß-Charakter vermeidet und das Verweilen in verschiedenen Nischen und Atmosphären ermöglicht. Auf augenzwinkernde Weise spielt die Möblierung mit teutonischen Produkten und der unvermeidlichen Gemütlichkeit. Aber mit einer Prise Ironie. Überall verteilt ticken knapp 40 Kuckucksuhren in altväterlichem oder megamodernem Design. Gerissene Streifen klassischer Tapeten gehen ineinander über, klassische Stühle, modern gefertigt, umgeben holzgescheuerte Tische. Ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sind die Gestalter mit diversen Foto-Tapeten. Eine grelle optische Imitation einer Amboss-Scheune brennt irgendwann im Auge. Und das Bild des Braumeisters über dem Tresen hätte etwas dezenter Ausfallen können. Hei-mat meets High-tech im Interior Design

Alle Speisen, die in der Auslage liegen oder in der offenen Grillstation zubereitet werden, wirken ansprechend und appetitlich. Die tägliche, durchgehende Öffnungszeit von 10 bis 01 Uhr, ermöglicht Sättigung und Genuss vom Mittagstisch zum abendbrot, oder eine rasche Käsekrainer oder Currywurst für zwischendurch.

Besonders bei der Currywurst tritt die Weiterlesen

Katerstimmung an der Spree

Diese Jahresmitte vermag in Berlin bislang nicht wirklich als Sommer zu gelten und die Betreiber der Strandbars und Ufer-Clubs möchte man gerade wenig beneiden. Eine Bar wurde nach ihrer endgültigen Schliessung jedoch stark vermisst, der Verlust innig bejammert und die Neugründung erfleht. Die Bar 25.

Als Mythos der Club-Szene oft in einem Atemzug mit dem Berghain genannt, innbegriff des hippen und trashigen Impro im Dicken B. tatsächlich an der Spree. Ängstlich erkundet aufgrund der strengen Türsteherinnen; respektvoll begutachtet von Baumarkt- und Trödel-Freaks, ob der bemerkenswerten Sammler- und Heimwerker-Ausgestaltung. Und: es gab eigentlich immer sehr vernünftiges Essen!

So, nun ist sie also wieder da. „Kater Holzig“ nennt sich das neue Projekt, diesmal auf dem anderen Spreeufer, nahe der Michaelkirche anb der Grenze von Mitte zu Kreuzberg. Die Michaelkirche ist ein sehr bemerkenswerter Bau. Man hat in eine Ruine einen spannenden Ort der Versammlung hineinimprovisiert. Dass gleiche ist dem Team aus der Bar 25 mit der alten Industrieruine einen Katzensprung weiter gelungen. Weiterlesen

Pret A Diner – Restaurant mit Ablaufdatum

Zeitung zur Zubereitung

Zeitung zur Zubereitung

Bereit für ein Abendessen? Dann aber Beeilung, denn nach nur 35 Tagen wird dieses Restaurant wieder verschwinden. Untertauchen auf unbestimmte Zeit.

Pret A Diner nennt sich das szenewirksame Konzept von Klaus Peter Kofler, einem kulinarischen Unternehmer, dessen Catering-Unternehmen zahlreiche hochkarätige Veranstaltungen vor dem Hungertod bewahrt.

Entsprechend professionell kommuniziert die Unternehmens-PR das aktuelle Restaurant auf Zeit und liefert die Vorlagen, die bereits in zahlreichen Medien entsprechend verbraten wurden:

Es ist ein Pop-Up Restaurant

oder:

Es ist kein Pop-Up Restaurant, es ist eine „dining experience“

daneben geht es um die:

„Demokratisierung von Luxus“

bei der gute Menschen am Werk sind:

Kostendeckung und Gewinne werden nicht erwartet, dafür arbeitet man CO2-neutral

Man wollte Rummel und Gewese, man bekommt Rummel und Gewese. Her mit einem Glas Schaumwein für die Damen und Herren der Kommunikations-Abteilung, deren Textvorgaben, pünktlich inszeniert zur Fashion-Week, allerorten nachzulesen sind. Egal. Andere Aspekte wecken mein Interesse:

Vor allem die Prämisse des „casual fine dining„, ein Phänomen, welches mich beständig beschäftigt, vor allem, weil ich es hierzulande so selten erlebe. Immer wenn ich aus New York zurückkehre, überfällt mich ein chronisches Kopfschütteln über die Art, wie dort geniales Essen mit hochwertigem Wareneinsatz in entspannter Atmosphäre mit professionellem, aber lockerem Service funktioniert. Das Lokal „Spotted Pig“

candle-light-experience

candle-light-experience

im West Village wäre so ein Beispiel, wo man im T-Shirt im Pub sitzt und einen famosen Burger mit Roquefort verspeist und kaum bemerkt, dass man in einer Speisestätte mit Michelin-Stern verkehrt. Kein steifer Kellner lauert in meinem Rücken, um mir vier Tropfen Wasser nachzuschenken und das Gefühl ständiger Beobachtung vermittelt.

Das Pret A Diner geht für sechs Wochen mit casual fine dining an den Start und nach jeweils zwei Wochen kommt ein neuer Koch  an die Herde über den Geldschrankgewölben der Alten Münze. Jeweils mit einem Menü das drei Gänge (mit Fleisch oder vegetarisch)  zu 39 Euro beinhaltet. Frische, regionale Produkte sollen im Vordergrund stehen, Dessert und Käse wird zusätzlich offeriert, mehr nicht, es soll ja irgendwo kalkulierbar bleiben. Den Auftakt machte Matthias Schmidt von der Villa Merton aus Frankfurt am Main, danach zeichnet Bernhard Munding aus dem

Tresor-Tour inklusive

Tresor-Tour inklusive

wundervollen Dos Palillos in Berlin verantwortlich und die letzten beiden Wochen bestreitet Wahabi Nouri aus dem Piment in Hamburg. Man sieht: hier sind einige Sterne am Start.

Durch kerzenbeleuchtete Gänge, entlang der Tresorkeller der Alten Münze führt der Weg treppab und treppauf zu einem improvisiert zusammengezimmerten und dennoch eleganten Gastraum mit separater Bar davor. Auf einer Empore warten Separees  und moderat-obszöne Kunst-Kauf-Ausstellungen. Dass die Separees zum Essen für kleinere Gruppen

Blick von der Empore

Blick von der Empore

vorgesehen sind, sollte ich in diesem Zusammenhang deutlich machen. Die diversen Bediensteten sind ausgenommen freundlich und sprechen hauptsächlich englisch. Der Service war ausnehmend nett und engagiert, heiter und kenntnisreich. Auf meiner Rechnung steht, dass es Jenny war, die uns umsorgte und zu einem prachtvollen Abend hervorragend beigetragen hat. Das war nicht absehbar. Es war ja Modemesse und das Publikum entsprechend. Optisch verrieten die Gäste nicht zwingend, dass kulinarischer Genuss ihnen etwas bedeutet. Mir ward bewusst, dass ich umfangreich auffalle.

Das Essen? Tja, wann hat man schon einmal die Gelegenheit, das gleiche Essen zu sich zu nehmen, was die üblichen Verdächtigen der Gastro-Kritik gleichfalls verspeisen und bewerten? Das Menü von Matthias Schmidt liest sich lyrisch-kryptisch. Rätselfreunde aufgemerkt: a lamb gets lost in a horseradish snowstorm. Prosaisch erklärt mit: Müritzlamm und Petersilie. Chocolate falls in love with the earth forever liefert die Indizien: Schokolade und Zuckerrübe. Mir hat es gut geschmeckt. Und viel wichtiger: der Abend hat Spaß gemacht und das Essen trug viel zur Unterhaltung bei, da man sich damit großartig beschaftigen konnte. Mit spannendem Meerrettich-Sorbet, herrlichem Saiblings-Tartar und dem perfekt gegarten Müritz-Lamm mit einem fein abgeschmecktem Püree von Petersilien-Wurzel.

Für die FAZ war Thomas Platt zum testen vor Ort. (Beinahe bedauerlich, dass diesmal nicht Jürgen Dollase kam, was mir den wundervollen Satz verwehrt: „Dollase und ich waren der Meinung, dass…“, mist). Nein, Herr Platt liefert einen Bericht, der genau das trifft, was an jenem Abend zu dem Menü auch mein Eindruck war. Ich gestatte mir, ihn in Bezug auf den schwächsten der Gänge zu zitieren:

„Über den nächsten Gang kann man mit etwas Lebensmittelhumor lächeln. Ein nach Art der Molekularküche mit Hilfe von Maltodextrin verseiftes Fichten- und Weizenkeimöl liegt in wachsigen Schindeln über dem weich gegarten und erfreulich wenig gesalzenen Romanesco, ohne geschmacklich viel zu bewirken. Ein Fichtenwedel in de Nachbarschaft des Modekohls unterstreicht die Idee.“

Herrlich! Wer braucht noch Jürgen Dollase.

Deutlich ungnädiger urteilt meine eigentlich bevorzugte Berliner Gastro-Gestalt vom Tagesspiegel, Bernd Matthies. Zu einem vegetarischen Gang anmerkt er grantelnd:

„Auch das helle Püree von für Vegetarier, in dem Blumenkohl offenbar eine Hauptrolle spielt, lastet mampfig auf der Zunge wie eine Karikatur aus der Öko-Hasser-Bewegung, von Schnittlauchöl und ein paar gepoppten Amaranth-Körnern kaum merklich akzentuiert.“

Platt nimmt augenzwinkernd den Event-Charakter des Ganzen zur Kenntnis und freut sich über die Idee und den ausbaufähigen Ansatz und attestiert: „Dazu dominiert doch feinfühliges Handwerk eindeutig die Zubereitungen“. Wie ich selbst, so hat er sich an dem Abend bestimmt amüsiert. Auf vielfältige Art und Weise. Matthies wurde womöglich nicht angemessen wahrgenommen  und straft das

Meerrettich-Granité

Meerrettich-Granité

Restaurant ab mit einem Vokabular aus: Hype, Sterneküche zum Billig-Tarif, sieht aus wie der Jugendkeller der St.Florians-Gemeinde mit Sperrmüll. Und: „Ein eloquenter Restaurantchef bespasst Premium-Gäste, während andere schon froh sein können, wenn der indiskutable Service sie nicht beim Wein-Nachschenken mit Wasser aus dem Eiskübel bekleckert.“

Herr Matthies verzieht sich in eine bösartige Schmoll-Ecke und legt bei seinem Besuch zu viel Wert auf die Sterne der Köche in ihrem üblichen Umfeld. Er vergisst dabei, das schräge Event, die spannende Idee und das ordentliche Preis-Leistung-Verhältnis zu genießen. Pret A Diner ist eben nicht Haute Couverture.

Sehen wir es ihm nach. Bereits in einem Vorbericht machte er aus „Klaus Peter Kofler“ einen „Michael Kofler“, der für seine Handbücher im EDV-Bereich höchstes Ansehen genießt. Luxus und Linux ist halt auch zweierlei.

Mein Tipp: Die Homepage des Pret A Diner aktivieren, um einen Platz anfragen und danach hingehen und einen Abend mit jenenm casual fine dining entspannt genießen.

www.pretadiner.com

www.koflerkompanie.com

35 days only...

35 days only...

3 Schwestern am Mariannenplatz

Soso: Drei Schwestern am Mariannenplatz. Wer bislang an einen Dreiklang dort dachte, kam meistens auf „Ton, Steine, Scherben“ mit ihrem Rauch-Haus-Song von 1972, in dem Mensch Meier am Bethanien Tränen in den Augen hat (vor Tränengas), weil sich dort endlich etwas tut, auch wenn es eine Besetzung ist: „Wird auch Zeit“, sachte Mensch Meier, „stand ja lange genug leer.“

Der neue Dreiklang, den das Restaurant 3 Schwestern dort erklingen lässt,

Eingangshalle des ehemaligen Krankenhauses

Eingangshalle des ehemaligen Krankenhauses

könnte sich beispielsweise mit „Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch“ erklären lassen.

Ich bin auf Anhieb Fan dieses Ortes geworden. Abgesehen von der einmaligen Atmosphäre in dem ehemaligen Krankenhaus, später Kunsthaus, hat das 3 Schwestern ein paar Details zu bieten, die zumindest mich sehr glücklich machen: Eine sehr frische und gut abgeschmeckte Küche aus hochwertigen Zutaten. Die Knödel zum saftigen Schweinsbraten waren zum dahin schmelzen; großartige Salate mit sorgfältig abgeschmecktem Dressing; die Fleischqualität des irischen Rumpsteaks war hervorragend und auf „medium“ ist hier Verlass. Ungewöhnlich kamen auch die hausgemachten Wildschweinwürstchen mit Preiselbeeren daher. Weiterlesen

Palazzo – Rat-Pack und Vier-Gang

Es mag nicht Jedermanns und-fraus Sache sein, beim üppigen speisen auf schlanke und sportliche Körper zu starren, aber bei der diesjährigen Palazzo-Saison kann man selbiges durchaus in Erwägung ziehen.

Im Spiegelpalast

Im Spiegelpalast

Das Zelt mit dem schönen Spiegelpalast hat wieder Quartier am Humboldthafen neben dem Hauptbahnhof bezogen und serviert von November 2010 bis März 2011 die Gourmet-Show „Herzensbrecher und Gaumenkitzel“ zu einem Vier-Gang-Menü des zwei Sterne Küchenmeisters Christian Lohse aus dem Restaurant Fischers Fritz.

Der Palazzo-Produzent Hans-Peter Wodarz gilt seit Jahren als einer der leidenschaftlichsten Schöpfer von Verbindungen zwischen Show und Kulinarik. Die Ente ist dabei nicht Wegzudenken, Ente-rtainment bekommt bei diesem Vorreiter der Erlebnisgastronomie einen ganz völlig eigenen Klang. Ein Confit von der Ente bildet somit den Mittelpunkt des Menüs, welches von einer abwechslungsreichen fünfteiligen Vorspeisenplatte, einem gebackenen Onsenei mit Berliner Grüner Soß und zum Nachtisch Dulce die Leche eingerahmt wird.

Ästhetische Artistik, netter Stepptanz und endlich wieder eine gute Live-Band mit bezaubernder Sängerin begleiten durch den Abend. Drei Moderatoren/Entertainer, die sich als Rat-Pack verstanden wissen möchten, führen durch selbigen. Sehr angenehm dabei, der muntere Daniel Reinsberg mit seiner gewinnenden Art. Einer der drei möchte als Geräuschkünstler überzeugen und erzeugt mit den Händen Furzgeräusche, die „My Way“ auf eine Weise erklingen lassen, dass Frank Sinatra sich im Grabe wälzt. Glücklicherweise folgt rasch wieder eine artistische Darbietung über den Köpfen der Gäste.

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Eine aufmerksame Servicebrigade, ordentliches Essen, gute Getränke und die magische Atmosphäre des Raumes sorgen für einen unterhaltsamen und genussvollen Abend, der sicher in Erinnerung bleiben wird. Die Preise richten sich nach Wochentag und Platzqualität und liegen zwischen 79,90 und 139,90 Euro.

Weitere Information und Buchung: palazzo.org

Invalidenstraße, Ecke Friedrich-List-Ufer, 10557 Berlin

Altes West-Berlin im Eulenspiegel

Ein gelungener Abend hat mit wundervoller Gesellschaft, köstlichem Essen, prachtvollen Getränken, munterer Diskussion und auch dem Austragungsort derselben zu tun.

An jenem Abend im August war wunderbare Gesellschaft zur Hand, die munter debattierte und neugierige Erwartungen hegte, was sich hinter dem ominösen „Privatrestaurant“ wohl verbergen mag. In der Tat sperrt eine güldene Kordel den Eingang für all jene, die ohne Anmeldung neugierig durch die Türe linsen und verhindert so jegliche Nachwuchswerbung für das Lokal.

Die Küche versteht ihr Handwerk im Umgang mit  sorgfältig gewählten Zutaten. Vorab reichte man nette Salami, Schinken, Flammkuchen und Allerlei. Gefolgt von einem eher belanglosen Hummersalat. Die gefüllte Perlhuhnbrust, nach Backhendl-Art zubereitet, mit einem originellen warmen Zitronen-Kartoffelsalat, war saftig und sehr schmackhaft. Die Kartoffelvariante wurde mit „Bayerischer Art“ kommuniziert, was verwundert, ob der kargen Ausbeute bayuvarischer Zitronenplantagen.

Der abschließende Pfirsich-Melba verdeutlicht womöglich am ehesten den Stil des Hauses.
Wir befinden uns im alten West-Berlin vor dem Mauerfall. An den Wänden ein alter Fritz, gegenüber ein röhrender Hirsch. Gerade wurde die Lichterkette erfunden und Ragout Fin hat den Toast Hawaii als Standardgericht abgelöst. Weiterlesen

Cookies und „Chipps“ am Hausvogteiplatz

Geht uns Westerwelle auf den Keks? Egal. Geht der Außenminister zu Cookies neuem Restaurant? Wir werden sehen. Die Gelegenheit gibt es seit wenigen Tagen.

Die Club-Legende der 90er Jahre (bis heute), Heinz „Cookie“ Gindullis, hat sich für sein neues Restaurant eine spannende Lage ausgesucht, in dem neuen Stadtquartier zwischen Hausvogteiplatz und Auswärtigem Amt mit seiner ungewöhnlichen Townhouse-Architektur.

Das neue Townhouse-Quartier

Das neue Townhouse-Quartier

Mehrere meiner Stadtführungen bewegen sich in dieser Gegend und so konnte ich das Viertel mit Licht- und Schattenseiten regelmäßig begleiten und beim Wachsen beobachten. Bis vor zwei Jahren war hier nach Büroschluss der langweiligste Ort der Stadt (und das zwei Straßen vom Gendarmenmarkt entfernt!). Auswärtiges Amt, Justizministerium, der schäbigste Plattenbau der Humboldt Universität, Telekomrepräsentanz und die (mittlerweile verflüchtigte) Pro-Sieben-Sat-1-Media werkelten in dem Viertel ohne Bewohner. Einziger Lichtblick war stets das sehr empfehlenswerte Thai-Restaurant Good Time am Hausvogteiplatz. Die Stadtplaner reagierten einmal schlau und verwerteten das Areal wohlüberlegt als Wohnbebauung der eleganteren Art. Und so wandelte sich ein Trampelpfad mit unattraktiver Spontanvegetation zu einem attraktiven architektonischen Ensemble.

Vom Underground zur Aussengastronomie

Vom Underground zur Aussengastronomie

Eine optimistische Neueröffnung, das Bio-Restaurant Gorillas, fiel der Pleite der Kette zum Opfer und fand nun mit „Cookie“ einen neuen Betreiber, der das Viertel kulinarisch ordentlich aufpeppt. „Chipps“ lautet der Name der gastronomischen Einrichtung mit offener Küche, modernem Styling und schönem Außenbereich mit Blick auf das Auswärtige Amt mit dem Neubau und dem Altbau, der zuvor das ZK der SED und davor die Reichsbank beherbergte.

Das kulinarische Konzept ist ein fröhlicher Bastelbogen mit reichlich frischen Bio-Produkten in einem gehobenen Imbiss. Beilagen bilden das Herzstück, um die herum man sich seinen individuellen Teller gestaltet. Zunächst wählt man sich die Basis aus vier Optionen: Käseknödel, Kartoffelchipp (man könnte es auch Rösti

Kartoffelchipp aka Rösti

Kartoffelchipp aka Rösti

nennen), Reispäckchen oder Nudelblatt. Dazu wähl man sich zwei von 12  „Vegi“ genannte Gemüsebeilagen, eine von fünf Saucen und eines von neun Toppings (wie Pinienkerne, Parmesan oder Röstzwiebeln) zu 8,50 Euro. Oder einen Salat, der nach dem gleichen Baukasten-Prinzip funktioniert. Im Gegensatz zum vegetarischen Clubrestaurant „Cookies Cream“ in der Behrenstraße, kann im Chipps auch Fisch und Fleisch geordert werden. Von 11 bis 15 Uhr werden vier Kompositionen als Mittagstisch serviert. Mit Suppe oder Salat vorweg zu 8,50.

Alle Berichterstatter schreiben von, mit und über den „mega-legendären Cookie“. Das ist ungerecht, denn der Küchenchef, Stephan Hentschel, der bereits im „Cookies Cream“ einen großartigen Job macht, geht dabei förmlich unter. Ein kreativer und sympathischer Küchenkönner sorgt hier für Weiterlesen

Café Einstein Stammhaus (Nicolai Verlag)

Die Geschichte des Berliner Kaffeehauses. Geschrieben von Kirstin Buchinger. Endlich. Längst schien es überfällig, diesem Café endlich eine Chronik zu widmen.

Das Café Einstein ist eine gastronomische Legende und hat für seinen Kaffee, sein Wiener Schnitzel, seine Veranstaltungen, seinen Apfelstrudel(!!) und den Cocktails im Obergeschoss einen festen Platz in den Herzen vieler treuer Stammgäste. (Nicht zu vergessen: der traumhafte Garten) Endlich hat es auch einen Platz im Bücherregal.

Gut, das hatte ich auch im Jahre 2006 gedacht, als unter dem Titel „Berliner Melange“ ein Buch über das Einstein mit Adresse Unter den Linden erschien. Mit Ausnahme des Namens bestehen keine Verbindungen der beiden Häuser. Glücklicherweise haben auch die Bücher gar nichts gemeinsam. Der Linden-Band enthielt eine Art bunte Zettelsammlung mit künstlerischen Beigaben in ein fotografisches Gästebuch. Ein Fall für enge Freunde des Hauses oder den Mängelexemplar-Strich bei Wohltat.

Was Kerstin Buchinger uns vorlegt ist ein richtiges, echtes Berlin-Buch, wofür auch die Nicolaische Verlagsbuchhandlung bürgt, deren Verlagsprogramm in Sachen Berlin für absolute Verlässlichkeit steht.

Das Buch zum Café

Das Buch zum Café

Sie berichtet die Historie, wie der Kaffee Ende des 17. Jahrhunderts  nach Berlin kam und dort seinen Siegeszug antrat. Erst in den berühmten Häusern Unter den Linden, dann, und umso heftiger, im „Neuen Westen“ am Kurfürstendamm. Dazwischen liegt die Villa an der Kurfürstenstraße, räumlich und historisch. Vom „Alten Westen“ südlich des Tiergartens ist wenig übrig geblieben und die Recherche durchweg mühsam. Die Wege in die Archive haben sich gelohnt!

Der Leser hält ein Buch in Händen, das die Geschichte der Stadt erzählt, mit einer Villa als Hauptfigur. Erbaut von einem Nähmaschinenfabrikanten in der Zeit der Industrialisierung; Zeuge eines neuen kreativen Geistes, der den Charlottenburger Kudamm zum bürgerlich-freien Gegenstück zum kaiserlich-konservativen Berlin werden ließ; Wohnhaus von Henny Porten, Stummfilmstar und Begleiterin der „Goldenen“ 20er Jahre; Von Schutt und Asche der Stunde Null zur eleganten Kaffeehausadresse am Boulevard der Bordsteinschwalben mit faszinierenden Gästen, Kellnern und Betreibern.

Flott geschrieben, unterhaltsam und informativ mit schönen Bildern und sogar dem Rezept für den Apfelstrudel.

Kirstin Buchinger: Café Einstein Stammhaus
Die Geschichte des Berliner Kaffeehauses
erschienen 2009 im Nicolai Verlag
ISBN 978-3-89479-510-8

Einzusehen selbstverständlich auch vor Ort im Café Einstein, Kurfürstenstraße 58, 10785 Berlin

Paris Moskau (Tiergarten)

Achtung, Hilfe, Feuerwehr! Die 112 hat gerufen. Nein, nicht die schon wieder. Wo brennt´s? Was mögen sie jetzt wieder wollen?

Auf meiner Rechnung vom Besuch im Restaurant Paris-Moskau steht: TischDSC03296 112. Ich könnte es nun dem Betreiber nicht vorwerfen, wenn dies eine Codierung wäre für: Obacht! Mega-anstrengende Gäste.

Nein, liebes Service-Personal, wir haben es euch nicht leicht gemacht an jenem Dienstag Mittag, Ende August. Ein verdammt heißer Tag, an dem eigentlich niemand gerne den kühlenden Schatten verlassen mag. Und dann kommen diese Gäste auf die Terrasse spaziert. Kommen kurz vor Ende der Mittagsverpflegungszeit, wollen jeden Wein kritisch verkosten, sind gegen jede Wespe phobisch, wollen spontan noch einen Zwischengang, mögen keinerlei Zitrone im Dessert…und….und…..und.

DSC03286Hungrig und übellaunig kamen wir daher. Es war mein Geburtstag. Ursprünglich wollten wir (gegen den Willen meiner kulinarischen Kumpanin) einkehren im milden Westen der Stadt, nahe dem Hubertussee, wo sich die teuren Tennisclubs anspruchsvoll bekochen lassen.

Dort hing zwar Ruinart-Reklame, die Tische der Terrasse waren aber seit geraumer Zeit nicht mehr von einem Abräumer aufgesucht worden.  Klebrig und schmutzig, statt einladend und appetitlich. Bloß weg!

Wohin? Na denn, hat nicht das Paris-Moskau auch eine nette Terrasse zum vergnüglichen draußen sitzen? Paris-Moskau. Geht das etwas genauer? Ja! An der Straße Alt-Moabit. Zwischen Knast und Kanzleramt.

So kam´s. Bestellung: Wasser!! Und: Das 4-Gang-Überraschungsmenü zu 36.- Euro. Was jetzt folgte war überraschend, genial, glücklich machend. Weiterlesen